Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 9. März 2016

Review: Escape from Tomorrow




Trailer





USA 2013

Escape from Tomorrow
Drehbuch und Regie: Randy Moore
Darsteller: Roy Abramsohn, Elena Schuber, Katelynn Rodriguez, Jack Dalton, Alison-Lees Taylor
Lauflänge: 90 Minuten
Genre: Indie-Horror, Satire
FSK: Frei ab 16



Zurück aus dem Winterschlaf und ich melde mich zurück mit einer Geschichte, über die ich am 13. September 2013 (es war ein Freitag) bereits einmal berichtete. Da habe ich über einen Film geschrieben, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Die Rede war damals wie heute von "Escape from Tomorrow", Randy Moores Indie-Horrorfilm der am glücklichsten Ort der Welt spielt: Disney World. Gefeiert auf dem Sidges Filmfestival, war aufgrund der angespannten Rechtslage nie so ganz klar, ob Escape from Tomorrow jemals von einem größeren Publikum bestaunt werden darf. Disney selbst ließ den Film jeodch, relativ überraschend, zufrieden, natürlich nicht aus Wohlwollen. Indirekte Werbung für das Walt Disney World Resort wird eine Sache gewesen sein, dem Film jedoch keinerlei Bühne zu geben, zum Gesprächsthema zu werden, vermutlich die entscheidende. Obwohl der Film mit Guerilla-Methoden in Disney World gefilmt, beinahe improvisiert gefilmt wurde, hätte Disney Moore und seine Crew rechtlich belangen können. Für das kleine Independent Projekt wäre dies gleichzeitig das Todesurteil gewesen. Disney forderte nichts, Disney schrieb keine Abmahnungen, Disney ignorierte den Film, jedoch gleichzeitig anzumerken, von der Existenz des Filmes zu wissen. Somit war der Weg frei für Randy Moores ungewöhnlichem Projekt.




Die Geschichte handelt von Familienvater Jim der gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern den letzten Tag eines gemeinsamen Wochenendes in Disney World verbringt. Der Morgen fängt für Jim bereits schlecht an. In einem Telefongespräch wird ihm mitgeteilt, dass sein Arbeitgeber ihn gefeuert hat. Der Familie will er an diesem letzten Tag im gemeinsamen Urlaub nichts mitteilen. Eine ungewisse Zukunft erwartet Jim, doch will er sich nicht mit den Sorgen des morgigen Tages befassen. Auf den Weg in den Park fangen die seltsamen Ereignisse an, ihren Lauf zu nehmen. Immer wieder kreuzen sich die Wege von Jim und zwei minderjährigen Französinnen, die in Jim euphorische Gefühle auslösen. Im Park selbst scheint Jims Psyche seinen Tribut zu zollen. Fernab von dem alltäglichem Leben, wird Jim von einer regelrechten Reizüberflutung übermannt und in den Fahrgeschäften von abscheulichen Halluzinationen heimgesucht. Die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen und Jim driftet in eine surreale Welt ab, die sogar seine Familie in Gefahr bringt.

Escape from Tomorrow ist komplett in Schwarzweiß gehalten. Der trostlose Filter trägt zur bedrückenden Stimmung bei. Besonders beeindruckend in Szene gesetzt ist der Verfall von Jim's Psyche. Es beginnt schleichend, nimmt aber immer abstrusere Ausmaße an. Die von mir erwähnte Reizüberflutung ist bei Disney-Filmen zum Beispiel nichts ungewöhnliches. Es kommt natürlich drauf an, wie empfänglich man für solche Emotionen ist. Diese Emotionen werden durch den Aufenthalt in einem solchen Freizeitpark (meistens noch gekoppelt mit Nostalgie) nur noch mehr beansprucht. Jim, aufgewühlt durch seine Kündigung, genervt von seiner prüden Frau und dem Alkohol gegenüber nicht ablehnend, bricht eine Sicherung heraus die ihn schlussendlich aus seiner eigenen Realität reißt und diese mit seltsamen Halluzinationen vermischt. Mit bescheidenden, limitierten Mitteln schafft Randy Morre es beeindruckend, seine surreale Szenerie umzusetzen. Kostspielige Sets hätte der Film auch gar nicht gebraucht, den er spielt bereits in einem furchtbar kostspieligen Set. Dies hat Moore vermutlich nicht mehr als eine handvoll Tagestickets für Disney World gekostet.

Ich hatte damals die Befürchtung, der Film hat vielleicht bereits im Trailer einen Großteil seines Pulvers verschossen. Bei meiner gestrigen, ersten Sichtung (seit dem Heimkino-Release 2015 geplant) war ich jedoch angetan, wie immer wieder neue, völlig wirre Ideen den Film bereicherten. Unverbraucht, provokant und fernab sämtlichen konventionellen Stilen hat Escape from Tomorrow einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Man muss aber auch ganz klar sagen, es ist die zeitlose Disney-Magie, die diesem Film seine Einzigartigkeit verleiht. Escape from Tomorrow ist eine Mischung aus psychologischem Horror und Satire. Rein vom Ablauf her erlebt Jim einen klassischen Disney-Film. Alte Disney Trivias und Klischees wie Pädophilie und psychedelische Drogen dürfen dabei nicht fehlen. Der Horror, den Jim durchlebt, wird trotz der bedrückenden Stimmung stets durch einen sehr schwarzen Humor aufgelockert. Begleitet von einem ebenso stimmigen Soundtrack fällt dem Zuschauer nur selten auf, dass die Darsteller unerlaubt im Park einen Film gedreht haben. Das Disney-Setting und Moores Idee passen ziemlich gut zusammen.





Fazit

Escape from Tomorrow ist ein einzigartiger Film gemacht für eine relativ spezielle Zielgruppe. Ohne Frage ist Randy Moores Projekt angeeckt und dürfte bei nicht wenigen Zuschauern auf die eine andere runzelnde Stirn oder ein fragwürdiges Gesicht gestoßen sein (oder gar schlimmeres). Aber egal was man seinem Film auch vorwerfen mag, so wird man am Ende immer zu der Auffassung kommen, etwas gesehen zu haben, was man vorher noch nicht gesehen hat. Es ist beinahe schon unheimlich zu sehen, wie gut sich ein so surrealer Albtraum mit klassischen Disney-Elementen vermischt und sogar in den Disney-Kanon passen würde (vermutlich ein Grund, wieso Escape from Tomorrow in der offiziellen Enzyklopädie-Disney sogar erwähnt wird). Escape from Tomorrow wird seinen Platz als Kultfilm trotz einiger Kontroversen in den kommenden Jahren vermutlich einnehmen. Ein bisschen zu unbeachtet, aber genau richtig um diesen Horrortrip durch den fröhlichsten Ort unserer Welt einen echten Geheimtipp nennen zu dürfen.

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