Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Samstag, 28. November 2015

Buen viaje, Norbert Gastell (1929-2015)



Eine Meldung, die schnell ihre Runde gemacht haben dürfte. Norbert Gastell, 1929 geboren in Buenos Aires als Sohn eines deutschen Journalisten, ist im hohen Alter von 86 Jahren in München verstorben.

Obwohl Norbert Gastell vielen Charakteren im laufe seiner Karriere seine Stimme geliehen hat, so ist es natürlich unmöglich, 24 Jahre Homer Simpson auszublenden. Noch bevor ich überhaupt eine komplette Episode der Simpsons gesehen habe, war es die markante Stimme von Norbert Gastell, die sich bei mir eingeprägt hat. Ich bin selbst verhältnismäßig spät zu den Simpsons gekommen (was ungefähr 1998 gewesen sein dürfte) und konnte der Serie vorher nie viel abgewinnen. Aber der bekannte deutsche Privatsender blieb penetrant und man konnte den Simpsons damals nur schwer entkommen. Und so erwischte es auch irgendwann mich und ich konnte mich der Faszination nicht entziehen.

Vielleicht sogar noch mehr als Dan Castellaneta (Homers englischer Sprecher und beinahe 30 Jahre jünger), prägte Norbert Gastell den Charakter und es ist somit auch keine Überraschung, das seine Interpretation auch weit aus unseren Wohnzimmern hinaus von vielen Fans der Serie geschätzt wurde. Was bleibt ist ein tonnenschweres Erbe von fast 3 Dekaden, knapp 600 Folgen und ein Kinofilm.

Was die Simpsons in Deutschland angeht, könnte dies bereits der endgültige Todesstoß gewesen sein. Denn bereits als Anke Engelke die 2006 verstorbene Elisabeth Volkmann (Dialogregisseur und Sprecher Ivar Combrinck verstarb kurze Zeit später) ersetzte, hat sie es mit ihrer deutschen Interpretation der Marge Simpson nie geschafft, dem Charakter einen Stempel aufzudrücken, wie es ihre Vorgängerin getan hat (was auch nur schwer zu erreichen ist, wenn man die ganze Zeit erfolglos versucht, Julie Kavner zu kopieren)

All das ist aber auf einmal so unwichtig. Mir bleibt nämlich nur noch eines zu sagen: Eine Gute Reise, Norbert Gastell, du wirst uns fehlen.

Freitag, 27. November 2015

Einwurf: Der Hobbit - Eine [un]erwartete Enttäuschung?





Vorgestern ist etwas passiert, was selten passiert. Es erscheint der Extended Cut zum finalen Hobbit Film bei den Händlern, ich greife zu, und überlege, ob ich mir das überhaupt noch einmal antun soll. Der Sammler in mir, aber auch der Preis waren letztendlich die entscheidenden Argumente, noch einmal an der Schlacht der Fünf Heere teilzunehmen. Mit einer Laufzeit von 20 Minuten an erweitertem Material stellt der Extended Cut, nach Teil 1 der Trilogie den kürzesten aller Hobbit und Herr der Ringe Extended Cuts dar. Meine Hoffnung bleibt letztendlich, dass die Erweiterungen und Umschnitte dem Film vielleicht noch etwas Charme verleihen, der in der Kinofassung anscheinend komplett verloren gegangen ist. Auf diese Erkenntnis schien wohl auch Peter Jackson bereits selbst gekommen zu sein.

Am 14. Dezember wird die Hobbit-Trilogie ihr dreijähriges Bestehen feiern. Weihnachten ist, spätestens seit der Verfilmung der Ring-Trilogie, Mittelerde Zeit. Und wenn das Kino nichts mehr hergibt, dann greifen die Fans zu den unzähligen DVD und Blu-ray Editionen zurück, die Warner in all den Jahren veröffentlicht hat. Mit der Veröffentlichung der Extended Edition zum dritten Hobbit Film am 26.11 werden viele Fans noch einmal einen langen Aufenthalt in Mittelerde buchen.
Die Hobbit-Trilogie wird bei vielen Zuschauern, jetzt, wo sie komplett und vollständig ist (Extended Cuts), erneut auf dem Prüfstein stehen. Besonders durch "Die Schlacht der Fünf Heere" wird der schwere Stand von Peter Jacksons Prequel-Trilogie vermutlich aber bestehen bleiben.

Ich habe mich immer gefragt, woher all die negativen Stimmen nur herrühren. "Eine unerwartete Reise" ist ein großartiger Fantasy-Film der bestens zu unterhalten wusste. "Smaugs Einöde" ist eine sogar noch gelungenere Fortsetzung. Hier kommt besonders die Extended Edition zur Geltung. Alle Erweiterungen und Umschnitte wurden von Jackson sinnvoll eingesetzt und machen diese Fassung zu einem kompletten Film. "Die Schlacht der Fünf Heere" war dann jedoch auch für mich ein Knackpunkt. Ich habe Tolkiens fantastische Vorlage gelesen. Bis zum Ende habe ich jedes Wort aufgesogen. Und ich dachte mir, wenn Jackson und sein Team den Stoff gut verfilmen, wird Teil 3 der Saga vielleicht sogar der Höhepunkt der Prequel-Trilogie. Leider kam es anders. Nach vielen verhaltenen Kritiken stellte sich bei vielen Kinogängern blanke Enttäuschung und auch Missmut ein. Der Hobbit 3 beinhaltet nur ganz wenig Mittelerde, und noch viel weniger von dem, was das Buch ausmachte. Als epischer Schlachtenfilm sogar extrem kurzweilig, als ultimativer Showdown jedoch nur bedingt brauchbar. Die an sich kritischen Stimmen wurden dadurch noch einmal bestätigt.

Doch die Kritik stellte sich unlängst vor Hobbit 3 ein. Die Gründe dafür zu nennen würde den Rahmen an freien Platz sprengen. Einige davon kann ich jedoch nennen. Die größte Hürde, die Der Hobbit zu nehmen hatte war es, im Schatten der Ring-Trilogie zu stehen. Die Filme konnten jeglichen Vergleich bereits im Vorfeld nur verlieren. Ein wenig hat Jackson sich durch seine Herr der Ringe Referenzen in allen drei Hobbit Filmen aber auch selbst das Schlamassel eingebrockt. Jackson brachte viele Inhalte mit in die Filme, die nie in Tolkiens Romanvorlage vorgekommen sind (was wenig verwunderlich ist, da der Herr der Ringe zu diesem Zeitpunkt noch eine ungeschriebene Idee in Tolkiens Gedankenwelt war). Große Kritik gab es außerdem, als man sich dazu entschieden hat, Legolas, der nie im Buch vorkam, zu einem festen Part der Story zu machen. Ein Angebot soll man auch Viggo Mortensen gemacht haben, die Rolle des Aragorn ein letztes mal zu spielen, der jedoch ablehnte, weil Aragorn ja gar nicht in der Originalvorlage vorkomme.




Jedoch sollte man es nicht zu kontrovers sehen, denn sowohl Legolas als auch die speziell für den Film kreierte Elbin Tauriel (nur um mal 2 der Charaktere zu nennen, von den vielen, die nie im Buch einen Auftritt hatten) mischen sich nicht zu sehr in die Geschichte rund um Bilbo und der Gefolgschaft an Zwergen ein. Ob sie dabei sind oder nicht, macht keinen großen Unterschied für den Ausgang der Geschichte. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit tatsächlich hoch, dass Legolas seinem Vater auch im Buch zur Seite stand, da die Waldelben in der Schlacht eine äußerst wichtige Rolle spielten.

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist der Rückschritt in Sachen Effekte. Zu Zeiten von "Der Herr der Ringe" setzte Jackson auf die großartigen handgemachten Effekte von Weta. Diese lassen die drei Filme auch heute noch natürlich und authentisch aussehen. Viele dieser handgemachten Effekte mussten beim Hobbit CGI weichen. Für viele Orks, darunter auch Antagonist Azog, wurden anfänglich handgemachte Kostüme entworfen, im Laufe der Produktion entschied man sich kurzerhand auch dort Motion Capture Technologie anzuwenden und die Kostüme durch Computer generierte Effekte zu ersetzen. Auch das wunderschöne Neuseeland leidet unter dem CGI, denn auch viele Schauplätze sind am Computer entstanden und machten platz für einen Greenscreen während der Dreharbeiten.




Vor einigen Tagen veröffentlichte The Guardian ein ausführliches Interview, wo Peter Jackson noch einmal über die Produktion vom Hobbit resümierte. Dort gab er leicht sarkastisch von sich, das der enge Terminplan es nicht zugelassen habe, sorgsam zu planen und er am Ende überhaupt keinen Überblick mehr hatte, was er überhaupt tat. Der ganze Artikel (bereits zu Beginn des Absatzes verlinkt) ist lesenswert und beschreibt eigentlich nur mal wieder, wie anstrengend die Produktion war. Dies erwähnen Jackson und andere wichtige Beteiligte in den umfangreichen Anhängen, die auf den Extra-Discs der Extended Cuts zu finden sind.

Noch bevor die Filme überhaupt gedreht wurden, war die Vorab-Planung, wie bereits Peter Jackson selbst sagte, eine Katastrophe. Jackson sagte einst, nachdem die Ring-Trilogie vollständig abgedreht und produziert war, würde er sich so ein gigantisches Projekt nie wieder in seinem Leben antun. Aus genau diesen Gründen wollte Jackson auch hauptsächlich als Produzent beim Hobbit dabei sein. Ein langer Rechtsstreit zwischen dem Tolkien Estate, New Line Cinema/Warner und MGM verhinderten jedoch eine erfolgreiche und reibungslose Zusammenarbeit. Jackson plante seinen Wunschkandidaten als Regisseur anzuheuern: Guillermo Del Toro. Del Toro für das Projekt zu gewinnen war jedoch schwierig, da erst überzeugt werden musste und bekanntlich kein großer Ring-Fan sei (was überraschend ist wenn man sich Hellboy 2 anschaut). Nach einem langen hin und her entschied sich Del Toro doch für die Zusammenarbeit mit Jackson. Tolkiens Hobbit gilt bis heute als ein Buch, geschrieben für Kinder. Dementsprechend betraf dies auch die Länge des Buches die sich, je nach Sprache, auf nicht einmal 300 Seiten beschränkt. Eine weitere Trilogie stand völlig außer Frage, allein schon aus dem Grund, weil das Material von Tolkien nicht so umfangreich war, um damit drei Filme füllen zu können. 
Die Planung würde Del Toro komplett übernehmen. Ausgelegt war das Projekt auf einen, vielleicht zwei Filme wo Jackson bei der Fortsetzung vielleicht die Regie von Del Toro übernehmen sollte.
Es sollte allerdings komplett anders kommen. Del Toros Konzept und Umsetzung stand. Ein Großteil des Casts stand ebenfalls. Die Dreherlaubnis gab es allerdings nicht. Dies verhinderte der bereits angemerkte, seit Jahrzehnten andauernde Rechtsstreit der Lizenzinhaber. Aus einer Verzögerung von wenigen tagen wurden am Ende beinahe zwei Jahre. Del Toro wurde ungeduldiger, hatte andere Pläne, wollte seine Zeit nicht länger mit Warten verschwenden. Jackson und die Produzenten konnten Del Toro nicht halten und somit hat man die führende Person des Projekts verloren.

Am Ende hieß es: Jackson, oder niemand. Obwohl sich Peter Jackson geschworen hatte, nie wieder eine Mittelerde Trilogie zu planen und zu drehen, war das Verlangen zu groß, noch einmal nach Mittelerde zurückzukehren. Außerdem floss bereits eine menge Geld in die Produktion. Nun einen neuen Regisseur in die Materie einzuführen kostete nicht nur mehr Zeit, sondern es war auch ein Risiko. "Eine unerwartete Reise", der Auftakt zur Hobbit-Trilogie, wurde größtenteils nach Del Toros Vision gedreht. Das reichhaltige Material was Del Toro hinterlassen hat (im Abspann wird er noch immer erwähnt) war die Grundlage zum Auftakt. Welche Richtung der Film aber eingeschlagen hätte, wenn Del Toro Regie geführt hätte, wird für immer eine unbeantwortete Frage bleiben.

Das Ärgernis endete jedoch nicht durch den Rechtsstreit von Tolkien Estate und den Studios. Während der Dreharbeiten erkrankte Jackson am Magen und die Dreharbeiten kamen erneut nur schwierig voran. Jackson selbst ist mit den Kinofassungen unzufriedener als jemals zuvor. Am meisten soll es dabei den dritten Hobbit Film getroffen haben. Zur Premiere des Filmes und einer bevorstehenden Podiumsdiskussion fragte ein Fan Jackson, ob er auch bei der Filmpremiere am Abend dabei sein werde. Jackson verneinte dies, da er nicht wisse, was das Studio mit dem Film angestellt hat und das Ergebnis lieber ein anderes mal begutachten will.
Laut Jackson und seiner Frau Fran Walsh (zuständig fürs Screenplay und Produktion) hatte das Studio konkrete Wünsche, die umgesetzt werden mussten. Ein großer Fokus auf Action und ein großer Fokus auf die Lovestory zwischen Kili und Tauriel. Jackson war dagegen, hatte aber nicht viele Möglichkeiten, dies zu ändern. Die Kinofassung wurde größtenteils ohne den Segen von Jackson angefertigt. In einem neuen Interview erwähnte er, der Extended Cut würde wesentlich mehr seiner gewünschten Fassung entsprechen.
Einen Seufzer konnte er sich vermutlich nicht verkneifen, denn nicht einmal eine erweiterte Fassung kann gerade biegen, was Teil 3 falsch gemacht hat.

Für einen weiteren Aufreger sorgte nun die Extended Version von "Die Schlacht der Fünf Heere". Relativ überraschend vergab die MPAA ein R-Rating. Von allen 6 Mittelerde-Filmen ist es somit der einzige, dessen erweiterte Langfassung nicht mehr das Gütesiegel eines Familienfilmes besitzt. Dies könnte sich durchaus auch auf die Verkaufszahlen auswirken, da viele große Handelsketten in den USA keine R-Rated oder Unrated Filme führen und konservativ eingestellte Familien die Altersfreigaben der MPAA sehr ernst nehmen.

Christopher Tolkien, der noch lebende Sohn von Mittelerde-Schöpfer John Ronald Reuel Tolkien, äußerte sich bereits nach dem Kinostart von "Eine unerwartete Reise" abschätzig über Peter Jacksons Adaption. Bereits zu "Der Herr der Ringe" gab es stetige Uneinigkeit zwischen den beiden. Nach vielen Debatten hat das Tolkien Estate sich jedoch dazu entschieden, sich aus der Planung der Filme rauszuhalten, sich aber auch gleichzeitig von ihnen zu distanzieren. Da bereits die Hobbit Filme von einem Lizenzproblem betroffen waren (gut zu erkennen daran, wenn Gandalf versucht, in "Eine unerwartete Reise" die weiteren Zauberer aufzuzählen, sich aber nicht richtig an ihre Namen erinnern kann. In Wahrheit besaß man nämlich die Rechte für diese Charaktere nicht und durfte sie somit nicht für den Film benutzen), hat man sich beim Tolkien Estate gleich dazu entschieden, weitere Verfilmungen für eine lange Zeit zu unterbinden. Wer sich also erhofft, bald wieder zu Weihnachten Mittelderde im Kino betrachten zu dürfen (vielleicht eine Verfilmung des Silmarillion), der sollte schon einmal etwas Geduld mitbringen.

Eine lange, unerwartete Reise hat gestern endgültig ihr Ende gefunden. Meine Empfehlung an alle Cineasten und Fans gelungener Fantasy-Unterhaltung: Nehmt die Hobbit-Trilogie so, wie sie ist. Es gibt berechtigte Kritik, aber auch eine viel zu überzogene Kritik. Und obwohl es ein Fakt ist, das "Die Schlacht der Fünf Heere" ein ungewohntes Mittelmaß in Jacksons Verfilmungen darstellt, ist auch dieses schwierige Kind ein Teil dieser Trilogie, was vielleicht in einigen Jahren wesentlich neutraler betrachtet wird als es aktuell noch der Fall ist.

In diesem Falle, genießt die Filme, macht euch ein paar schöne Abende in Mittelerde. Da bleibt mir nur noch zu sagen: "Raise a glass of wine, for the last time".




Dienstag, 17. November 2015

Haruki Murakami wird mit Hans-Christian-Andersen-Literaturpreis ausgezeichnet



Der Bestsellerautor aus Japan darf sich mit einem weiteren, renommierten internationalen Award schmücken. Bereits im Jahr 2006 erlangte Haruki Murakami mit dem "Franz-Kafka-Literaturpreis" seinen ersten internationalen Award. 2009 folgte der "Jerusalem-Preis", 2011 der "Premi Internacional Catalunya" und erst im vergangenem Jahr der "Welt-Literaturpreis".

Der Hans-Christian-Andersen-Literaturpreis wird alle zwei Jahre vergeben, daher mag es etwas kurios nun klingen, die Auszeichnung wird erst im Oktober 2016 in der dänischen Stadt Odense vergeben. Dotiert ist der Preis mit 500.000 dänischen Kronen, was umgerechnet ungefähr 67.000 Euro entspricht. Der Preis wird seit 2007 verliehen.

Ein Auszug der Begründung der Jury, warum die Wahl auf Haruki Murakami gefallen ist (in einem Abschnitt vergleicht die Jury zum Beispiel Murakamis phantasievollen Stil mit Hans Christian Andersen Werken):

"Seine Mischung aus klassischer Erzählung, Popkultur, japanischer Tradition, traumartigem Realismus und philosophischen Debatten".

Wie komfortabel sich Haruki Murakami neben vergangenen Preisträgern wie Paulo Coelho, Joane K. Rowling, Isabel Allende und Salman Rushdie fühlen wird, wird der Japaner vermutlich für sich behalten.

Freitag, 13. November 2015

Einwurf: James Bond 007 - Der Mann mit den vielen Gesichtern





Am 05. November kehrte mit Spectre nach dreijähriger Abstinenz der 24. Bond Film (der 25. wenn man es nicht ganz so genau nimmt) zurück in die Kinos. Daniel Craigs Vierter Einsatz als britischer Geheimagent ist auch mir nicht entgangen. Während der Film erstmals seit "Ein Quantum Trost" vom Publikum wieder kritischer/kontroverser beäugt wurde, hatte ich (trotz vieler gültiger Kritikpunkte) eine große Freude an Spectre. Zum einen liegt es daran, dass nun endlich wieder die Wege frei sind, was Namen und Begriffe angeht, die in einem jahrzehntelangen Rechtsstreit unter den Rechteinhabern immer aufgeteilt wurden (eine Geschichte, die bereits zu Lebzeiten Ian Flemings im Gange war und ihm gesundheitlich noch mehr zusetzten). Zum anderen ist es aber auch der Mix, den Spectre bietet. Ein Mix aus Elementen der Craig-Ära, aber auch ein Mix aus Elementen vergangener Bond Filme. Eine zweite, oder gar dritte Sichtung des Films wird aber nötig sein, bis ich ihn fair einschätzen kann.

Spectre spornte mich dazu an, mir über das Bond-Universum, was wesentlich komplexer ist, als es vielleicht manche denken, Gedanken zu machen. Und ich kam nicht umhin, den Protagonist dieses Universums doch noch einmal näher zu betrachten. Zählt man die ikonische Figur mit, die 1an Fleming geschaffen hat und ihn insgesamt auf 14 gefährliche Missionen schickte (die ihm, nicht nur wörtlich den Verstand raubten), wurde der Spion des britischen MI6 nun insgesamt von 7 verschiedenen Personen verkörpert. Doch nur wenige der 6 Schauspieler, die für diese Rolle ausgewählt wurden, konnten es mit Flemings Figur aus den Romanen aufnehmen.

Unter Romantikern heißt es immer, einer der Antagonisten, die Bond bekämpfe, war Ian Fleming selbst. Und Bond war letztendlich siegreich. In der Realität ist diese Umschreibung gar nicht mal unrealistisch. James Bond verkörpert die Laster des Briten Ian Fleming. Stress, Kettenrauchen, Alkohol. Mit Anfang 50 sah Fleming bereits aus wie ein Mann in seinen 60ern. Während Bond, die Figur die Fleming erschuf, unsterblich ist, ging sein Schöpfer daran zugrunde. Noch vor der Fertigstellung von "Der Mann mit dem goldenen Colt", erlag Fleming mit nur 56 Jahren einem seit länger bestehendem Herzleiden, während einer Partie Golf. Mit Ian Fleming ist aber nicht James Bond gestorben, seine Mission war, und ist bis zum heutigen Tage, noch nicht beendet.

Während es in Ian Fleming's Romanvorlage nur einen einzigen Bond gibt (inklusive einer Chronologie seiner Abenteuer), wird der 007 aus den Filmen nicht nur ständig von anderen Schauspielern verkörpert, sie alle verleihen Bond auch ein anderes Gesicht. Bond ist Wandlungs- und Anpassungsfähig. Ob als Frauenheld, Comedian oder todernster Agent, der auf persönlicher Vendetta ist, James Bond ist unsterblich, und er hat viele Gesichter.

In einem Ranking möchte ich die Bond-Inkarnationen auflisten, die mich persönlich sehr beeindruckt (oder eben nicht) haben. Film ab!


7: Roger Moore

Man liebt, oder hasst diesen Bond. Das Erbe von Sean Connery war enorm und Moore's erste Gehversuche, ihn zu kopieren, schlugen in Vorab-Aufnahmen fehl. Ziel der Produzenten Broccoli/Saltzman war es, einen völlig eigenständigen James Bond zu erschaffen. Die Idee, zumindest kommerziell erfolgreich. Ganze 7 mal verliebten sich Mütter und Töchter in den verführerischen Roger Moore. Von Flemings Philosophie, Ideen und natürlich auch Romanen wurde meistens bis auf den Titel nichts übernommen. Während man den Moore-Bonds Unterhaltungspotential nicht absprechen kann, haftet seinen Filmen aber viel zu häufig ein alberner Klamauk an, der mehr an eine Parodie als an ein echtes 007 Abenteuer erinnert. Mit "Moonraker" und "In tödlicher Mission" sind sogar zwei der wohl schwächsten 007-Filme entstanden. Allerdings sind unter Moores Einsätzen einige der prägnantesten Soundtracks entstanden.


6: Pierce Brosnan

Die Brosnan-Ära war geprägt von vielen Kleinigkeiten. Brosnan, der eigentlich Moore beerben sollte und aufgrund vertraglicher Verpflichtungen mit der Serie "Remington Steele", musste Brosnan (der bereits als kommender Bond aufgeregt war wie ein kleiner Junge, der sich auf Weihnachten freut) in letzter Sekunde doch noch passen und wurde kurzerhand von dem großartigen Timothy Dalton ersetzt. Nach eine der längsten Abstinenzen in der langen Geschichte von 007 durfte Pierce Brsonan, der damalige Wunschkandidat, nun endlich ran. "Goldeneye" (benannt nach Flemings Villa in Jamaika) stellte die Produzenten vor einem Rätsel, ob ein James Bond auch nach dem Kalten Krieg noch relevant sein kann. Die Sorgen waren unbegründet, denn Goldeneye war ein voller Erfolg. Optisch ähnelt Brosnan dem klassischen Bond aus Flemings Vorlage. Charakterlich ist er zwischen Dalton und Lazenby einzuordnen. Die größten Probleme, denen sich Brosnan aber stellen musste waren schlechte Scripts (besonders die Filme, die nach dem soliden Goldeneye folgten) und ein besonderer Hang zum Snobismus. Mit seiner arroganten art ist kaum ein anderer Bond so hochnäsig und unnahbar für den Zuschauer. Insgesamt durfte Brosnan 4 mal ran und war sich auch noch sicher, bei "Casino Royale" dabei zu sein.


05: George Lazenby

George Lazenby hatte es nie einfach. Nicht nur war das Publikum immer noch von Sean Connery völlig eingenommen, Lazenby selbst war ein völliger Debütant als Schauspieler. Doch der gebürtige Australier war entschlossen, er wollte diese Rolle. Also führte er Produzenten und Regisseur an der Nase herum, legte ihnen eine falsche Vita vor und war am Ende völlig überrascht, es damit so weit geschafft zu haben. In einem persönlichem Gespräch waren weder Produktion noch Regie begeistert über Lazenbys Märchen, gleichzeitig aber auch amüsiert und begeistert wie er sie vorführte. Lazenby bekam die Rolle und beerbe Sean Connery... nur um einen Film später wieder von ihm abgelöst zu werden. "Im Geheimdienst ihrer Majestät" ist eine der wenigen Romanverfilmungen eines 007 Romans, die sich enger an die Vorlage hält. Da "Im Geheimdienst ihrer Majestät" aus literarischer Betrachtung zur Blofeld-Trilogie gehört, wurden für den Film einige Anpassungen vorgenommen. Wie immer ist die allgemeine Grundstimmung im Film auch wesentlich lockerer als im Buch und mit typischen Bond-Oneliner ausgeschmückt. Lazenby hat sich, besonders als unerfahrener Schauspieler wacker geschlagen und mir wesentlich besser gefallen, als Moore bei sieben Anläufen. Besonders in den emotionalen Szenen konnte Lazenby wirklich punkten und ist Teil von einem der wohl einprägsamsten Momente in der gesamten Historie von 007. Obwohl "Im Geheimdienst ihrer Majestät" kein Flop war, verzichtete Lazenby auf ein weiteres Engagement und kündigte kurz vor der Premiere des Films seinen Abschied an. George Lazenby zog sich daraufhin weitgehend aus der Schauspielerei zurück.


04: Sean Connery

Es kann nur einen geben! Auch wenn Highlander genau so gut passen würde, meine ich natürlich eine andere Rolle von Sean Connery, die, die ihn nicht nur weltberühmt und damals zu einem der best bezahlten Schauspieler machte, sondern ihn gleichzeitig auch ins Verderben führte. Genau wie Ian Fleming selbst, wurde Sean Connery von James Bond verzehrt. Connery, vor der Kamera ein Gentleman und Playboy, kam im privaten Leben nur schwer mit dem Ruhm zurecht, die ihn die Rolle einbrachte. Und am Ende erschaffte sich Connery sogar seinen persönlichen Antagonist, Albert Broccoli (die beiden versöhnten sich erst am Sterbebett von Albert Broccoli wieder). Nichtsdestotrotz prägte Sean Connery diesen Charakter wie kein anderer und machte ihn weltberühmt. Während Connerys erste Auftritte als Bond sich zwar auch teilweise sehr von den Romanvorlagen unterscheiden, sind die Filme unterhaltsam genug, um als Filme per se überzeugen zu können. Der kritisierte "Comic-Bond" trat erst in Connerys späteren Auftritten in Erscheinung. Enttäuschend war jedoch Connerys unrühmlicher Abgang aus dem Franchise. Nachdem er mit der Neuinterpretation zu "Feuerball" "Sag niemals nie" seinen endgültigen Abschied von 007 verkündete, äußerte sich der Schotte im laufe seiner Karriere beinahe nie wieder zu der Rolle, die ihn so bekannt machte. In Interviews blockte Connery häufig ab sobald 007 ein Thema wurde, in Dokumentationen zu 007 taucht er als einziger der noch lebenden Verantwortlichen meistens gar nicht erst auf. Das ändert natürlich nichts daran, dass auch Sean Connery sich mit dieser Rolle unsterblich machte. Auch Connery spielte den Geheimagent 7 mal, aber nur, wenn man "Sag niemals nie" mit einbezieht.


03: Daniel Craig

Anfangs belächelt, nach "Casino Royale" jedoch als britischer Volksheld gefeiert, der 007 wieder auf die große Leinwand brachte, und zwar im ganz großen Stil. Besonders nach Brosnans vielfach kritisierten letzten Filmen war es ein gefährliches Unterfangen, den ebenfalls damals noch relativ unbekannten Daniel Craig diese Rolle anzubieten. Ein blonder Bond? Der ist so ziemlich das absolute Gegenteil von dem, was Ian Fleming sich vermutlich jemals unter James Bond vorgestellt hat. Seine Performance in der längst überfälligen Verfilmung con Casino Royale ließ jedoch alle Kritiker verstummen. Von allen Bond-Inkarnationen wird Craig der Figur aus den Büchern vielleicht sogar am meisten gerecht. Sarkastisch, ernst und manchmal läuft er auch komplett Amok. Das sind viele Eigenschaften, die sich die Fans lange wünschten. Zu Zeiten von Timothy Dalton noch verpönt, rund 20 Jahre später wurde genau dieses Konzept für alle Beteiligten zu einer Goldgrube. Daniel Craig war für ihre Majestät bisher 4 mal im Einsatz, ein weiterer, endgültig letzter Auftrag für Craig scheint bereits in Planung zu sein.


02: Timothy Dalton

Timothy Dalton war seiner Zeit als Bond voraus, heißt es. Mit seiner Interpretation als ernsten, nachdenklichen und skrupellosen Bond, vielleicht sogar noch etwas ernster, nachdenklicher, und skrupelloser als Flemings Bond, fühlten sich die Zuschauer etwas befremdlich. Sie wollten den Playboy aus "Liebesgrüße aus Moskau" oder den Romantiker aus "Leben und sterben lassen" zurück. Stattdessen bekamen sie einen ernsten Zeitgenossen zu sehen, der mehr auf persönlicher Vendetta war anstatt die Welt zu retten. Mittlerweile haben sich die Zeiten und auch die Zielgruppe jedoch geändert und so mancher wünscht sich, Dalton hätte zumindest seinen dritten Film noch drehen können. Mit anderen Worten, nicht wenige wünschen sich Dalton als 007 in Goldeneye. Was Timothy Dalton bewiesen hat, James Bond muss nicht ins Weltall oder mit einem Panzer durch Sankt Petersburg fahren, um überzeugen zu können. Zudem haben seine zwei Auftritte als 007 auch dafür gesorgt, dass er sich nicht weiter abnutzen konnte, wie es sich vielleicht allmählich bei Daniel Craig einstellt. Dafür hat sich Timothy Dalton mit einem regelrechten Knall verabschiedet."Lizenz zum töten", der sich stilistisch an die harten Actionfilme aus den 80ern orientiert, musste selbst in den USA noch ein wenig bearbeitet werden, um das R-Rating zu vermeiden. Aus heutiger Sicht wäre mittlerweile selbst die leicht zensierte PG-13 Kinofassung von "Lizenz zum töten" ein absoluter R-Rating Kandidat. In Deutschland wurde damals sogar noch zusätzlich die Schere angesetzt, um die FSK 18 Freigabe zu vermeiden. Ganz so drastisch muss man den Film nun nicht bewerten, allerdings ist "Lizenz zum töten" auch heute noch schnörkellos in Szene gesetzt. Ein weiterer Bonus: Die grausame Verstümmelung, die Felix Leiter durch einen Hai zugefügt wird, stammt aus Ian Flemings zweiten Bond Roman "Leben und sterben lassen".


01: James Bond

James Bond mag viele Gesichter haben, aber es gibt tatsächlich nur einen echten "James Bond". Und diese Figur wurde von Ian Fleming ins Leben gerufen und ging zum ersten mal 1953 für ihre Majestät auf Mission. Flemings Bond verkörpert all das, was beinahe alle Film-Inkarnationen vermissen lassen. James Bond ist ein Mann, kein Übermensch, ständig im Konflikt mit sich selbst. Er raucht, trinkt und meistens sterben die Frauen um ihn herum, in die er sich verliebt. Durch die ständigen Rückschläge wird Bond nach und nach zu einem Mann, der an seinen eigenen Fähigkeiten zweifelt und letztendlich beinahe an den Machenschaften von SPECTRE zugrunde geht. Weniger Gagdets, weniger Humor und Kitsch sind die Zutaten von Ian Flemings Bond. Fleming machte das "Spy Fiction" Genre weltberühmt. Und trotz vieler Kritik was Flemings Weltsicht angeht (Homophobie, Rassismus, Frauenfeindlichkeit), lesen sich seine Bond-Romane auch heute noch spannend wie vor über 60 Jahren. In diesem Falle gilt: "Nobody does it better".