Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Donnerstag, 26. März 2015

Einwurf: Das Ende deutscher TV-Unterhaltung




Mein zweiter Einwurf in diesem Jahr. Und mal wieder ein Einwurf, der in einer bedrückenden Zeit veröffentlicht wird.

Doch was genau hat die Tragödie rund um Germanwings denn mit dem Ende der deutschen TV-Unterhaltung zu tun? Nun, ganz einfach. Während viele TV-Sender seit Beginn der Woche ihr Programm umgestellt oder angepasst haben, plärrt auf RTL II immer noch der Scripted-Reality Wahn rund um den Zoo von "Köln 50667" und "Berlin Tag und Nacht". Für alle Leser, die das geistige Alter von 14 überschritten haben: Ja, das Affentheater erfreut sich noch immer großer Beliebtheit zum deutschen Feierabendverkehr.




Als RTL II "Berlin Tag und Nacht" 2011 ins Programm nahm, konnte man dort selbst vermutlich nicht glauben, dass eine Serie um geistig umnachtete WG-Bewohner es einmal auf 890 Folgen bringen würde und fortan zu den beliebtesten Serien im Vorabendprogramm gehören wird. Nur 2 Jahre später schob man einen Köln Ableger hinterher, der seit der Erstausstrahlung im Jahr 2013 auch bereits (laut Wikipedia) über 560 Folgen zählt.

Während auf vielen anderen TV-Sendern also den aktuellen Geschehen zufolge ein angepasstes Programm läuft, wird auf RTL II zwischen 18-20 Uhr geflucht, gevögelt, betrogen, gesoffen, geprügelt und geheult. Mal zynisch, mal asozial.

In Zeiten, wo selbst ein Raab auf die zündende Idee kam, das Programm mal auszusetzen, scheut RTL II sich anscheinend davor, zwei Serien, die seit Jahren schlechte Werte vermitteln, diesen mal für nur wenige Tage die Sendezeit zu entziehen.

Ich möchte mich diesmal auch ausnahmsweise kurz fassen. Zu dem Thema muss nicht mehr viel geschrieben werden. Während ich diese Worte verfasse, wurden vermutlich zur gleichen Zeit die Drehbücher zu neuen aufregenden Episoden von Deutschlands Deppen-TV verfasst. Vielleicht schafft man es ja auch noch irgendwie, die Serien mit der aktuellen Tragödie demnächst zu verknüpfen.

Da mit dem Ende beider TV-Formate auch in kommender Zeit wohl nicht zu rechnen ist, kann man als deutscher Konsument nur weiter den Kopf einziehen. Man müsste in der Sendeanstalt von RTL II eigentlich schon gebückt gehen, denn man könnte mahnende Blicke von Außerhalb auf sich ziehen. Blicke, die sagen: "Glückwunsch! Denn ihr habt einer bereits trostlosen Generation den Gnadenstoß versetzt".

In diesem Sinne, gehabt euch wohl und genießt das anstehende Wochenende,
Euer Aufziehvogel

Sonntag, 15. März 2015

Rezension: Japanische Jahreszeiten

(Foto: Aufziehvogel)



Japanische Jahreszeiten
Diverse Autoren
Erscheinungsjahr: Originalausgabe 1963, Neuauflage 2015 beim Manesse Verlag
Übersetzung: Gerolf Coudenhove-Kalegri
Genre: Lyrik

Erhältlich seit dem 09.03.2015


Von den Freunden, die
sich in holder Frühlingszeit
einst mit mir gefreut,
blieb mir niemand als allein
nur der Kirschblütenbaum!
                                      
                                     Koide Tsubara



Schon seit frühster Schulzeit hatte ich immer ein Problem. Obwohl ich immer gerne las, konnte ich mich nie auf Lyrik einlassen. Gedichte waren für mich schwer verständlich, konnte mich nie in sie hineinversetzen. Auch schreibe ich selbst gerne, doch nur der Gedanke daran, ein Gedicht zu verfassen, bricht in meinem Gedankenwald gleich ein Großbrand aus.
Als im letzten Jahr jedoch die Neuauflage zu "Die Geschichte vom Prinzen Genji" erschienen ist, brachte mir die Autorin Murasaki Shikibu diese exotische Welt näher. Genau genommen ist die Genji Monogatari  zwar ein waschechtes Roman-Epos, allerdings, immer mal wieder, hat die Autorin ihre Seiten mit kleinen Haikus geschmückt, die sich wunderschön in die Geschichte einfügten. Diese kleinen Gedichte von gerade einmal fünf Zeilen reichten aus, um mich zu beeindrucken. Ausdrucksstark und wortgewandt fließen diese kleinen Haikus wie frisches Wasser durch einen kristallklaren Bach. Meine bildhafte Beschreibung wird den Haikus und Tankas nicht wirklich gerecht werden. Daher will ich auch nicht länger Reden schwingen, sondern den Titel präsentieren, der im Rampenlicht steht: Japanische Jahreszeiten.

Wie bereits beim Prinzen Genji liefert der Manesse Verlag in hoher Qualität eine unglaublich schöne Neuauflage ab. Japanische Jahreszeiten ist eine Sammlung von über tausend Haikus und Tankas (ich habe nicht persönlich nachgezählt!) der bekanntesten japanischen Dichter und Denker. Wie der Name schon vermuten lässt, dieser üppige Gedichtband ordnet die kleinen Kunstwerke nach Jahreszeiten an. Manche Bücher sind nur bestimmt für spezielle Jahreszeiten geeignet, dieser Gedichtband passt aber immer, ob es warm oder kalt ist, ob die Stimmung erheitert oder bedrückt ist.
Gesammelt und übersetzt und mit einem interessanten Nachwort abgerundet wurde die Sammlung von dem österreichischem Japanologe Gerolf Coudenhove-Kalegri -1896-1978- (Bruder von Richard Coudenhove-Kalegri). Coudenhove selbst war Sohn einer japanischen Mutter.
Die Gedichte wurden, selbstverständlich, aus der japanischen Sprache übersetzt und, immer wenn mal etwas nicht ganz so klar erscheint, hat der Übersetzer verständliche Fußnoten verwendet, um die Situation zu erklären. Neben dem ausführlichen Nachwort gibt es zu jeder Jahreszeit noch ein kleines Vorwort über die jeweiligen Gedichte, die auf den folgenden Seiten präsentiert werden. Dazu gibt es noch von verschiedensten japanischen Künstler 94 Tuschzeichnungen, die stets dem Thema im Buch angepasst sind.

(Foto: Aufziehvogel)


Unter den Verfassern der jeweiligen Haikus und Tankas befinden sich viele bekannte Persönlichkeiten der japanischen Geschichte. Darunter Kaiser Meiji, Buson oder Basho. Aber auch unbekannte Verfasser, die namentlich nicht mehr benannt werden konnten, beinhaltet dieser Sammelband. Eröffnet werden die japanischen Jahreszeiten mit den traditionellen Neujahrsgedichten. Die Stimmung der jeweiligen Gedichte pendelt sehr. Von fröhlichen heiteren Gedichten bis zu melancholischen sowie traurigen Gedichten ist alles dabei.


Morgennebeldunst -
Wie ein hingemalter Traum
geht ein Mensch vorbei!
                                 
                                  Buson 


Was ich mir persönlich gewünscht hätte wären vielleicht noch ein paar dieser Gedichte mal in ihrem unübersetzten Original zu sehen. Bei so vielen Gedichten wäre dies allerdings schwer geworden und hätte vermutlich eher für Verwirrung gesorgt, diese auch noch im Band unterzubringen. Dafür ist jedes Gedicht sauber auf jede Seite angeordnet und selbstverständlich, sofern verfügbar, stets mit dem Namen des jeweiligen Autors versehen. Im Nachwort erklärt Übersetzer Coudenhove noch den unverkennbaren Stil der Haikus und Tankas.


(Matsuo Basho -1644 - 1694 -)



Resümee

Erneut liefert der Manesse Verlag eine hochwertige Ausgabe für bibliophile Sammler ab. Freunde der japanischen Literatur oder der Lyrik werden hier einen exotischen und umfangreichen Sammelband finden, der liebevoll zusammengestellt wurde. Ob man die japanischen Gedichte nun in wenigen Sitzungen durchliest oder sie sich für die einzelnen Jahreszeiten aufhebt, man findet immer ein passendes Gedicht für jede Lebenslage. Im Gegensatz zu vielen bekannten westlichen Gedichten sind die japanischen Haikus und Tankas sehr zugänglich und leicht verständlich.  
Da diese Lesereise auch für mich mal etwas ganz neues war, gibt es hier von mir eine klare Empfehlung.

Freitag, 13. März 2015

Preis der Leipziger Buchmesse 2015: Die Gewinner


Die Gewinner wurden am 12. März 2015 Live auf der Leipziger Buchmesse verkündet.


Ein wenig ist die diesjährige Leipziger Buchmesse an mir vorbeigerauscht. Weniger die Festivitäten als viel mehr die Preisverleihung. Daher gibt es in diesem Jahr auch keinen gesonderten Beitrag über die Nominierten, sondern es geht direkt zu den Gewinnern!

Zu meiner eigenen Überraschung musste ich feststellen, ich kenne kein einziges Werk der diesjährigen Preisträger. Ganz alleine scheine ich aber nicht dazustehen, denn besonders in der begehrten Kategorie "Belletristik" gab es eine Überraschung: Erstmals gewann ein Lyriker den Preis in dieser Kategorie. Der Hamburger Jan Wagner wurden mit seinem Gedichtband "Regentonnenvariationen" von der Jury ausgezeichnet. Der Aufziehvogel sendet beste Grüße an die Stadt Hamburg!


Gewinner Belletristik: Jan Wagmer, "Regentonnenvariationen", Hanser Berlin Verlag



Gewinner Sachbuch/Essayistik: Philipp Ther,  "Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent. Eine Geschichte des neoliberalen Europa", Suhrkamp Verlag





Gewinnerin Übersetzung: Mirjam Pressler übersetzte aus dem Hebräischem "Amos Oz: Judas", Suhrkamp Verlag




Am Meer ist es wärmer beglückwünscht alle Preisträger!


Weitere Infos über das Programm der Leipziger Buchmesse und den Preisträgern gibt es auf der offiziellen Homepage: Klick

Der Schöpfer verlässt seine Welt: Terry Pratchett (1948-2015)

Sir Terence David John "Terry" Pratchett: 28.04.1948 - 12.03.2015


Als der Brite 1983 seine Scheibenwelt erschuf, hätte er sich den Fankult, den diese Welt einmal hervorbringen wird, wohl nie erträumt. Was als kleine Spielerei begann, wurde zu einem großen Mythos des Fantasy-Genre. Mit Humor und Satire hat Terry Pratchett seine Leser über Dekaden (auch fernab der Scheibenwelt) begeistert und eine schier unbegrenzte Welt hinterlassen, die viele Autoren wohl auch in den kommenden Jahren noch prägen wird.

Gestern, am 12. März, ist Terry Pratchett im Alter von 66 Jahren an den Folgen seiner Alzheimer-Erkrankung verstorben. Sein Schaffen hat Pratchett jedoch längst unsterblich gemacht.


Montag, 9. März 2015

Aufziehvogel's Wühlkiste: Terminator - Die Erlösung



Trailer




USA 2009

Terminator: Die Erlösung
Originaltitel: Terminator Salvation
Regie: McG
Darsteller: Christian Bale, Sam Worthington, Moon Bloodgood, Helena Bonham Carter, Michael Ironside
Lauflänge: Circa 115 Minuten
Genre: Science-Fiction, Action
Verleih: Sony Pictures
FSK: 16


Um etwas Zeilen zu sparen, verwende ich für diese Retrospektive den englischen Titel Terminator Salvation.


Gestern noch im Fernsehen, heute schon auf meinem Blog. Und hier habe ich mal einen ganz prominenten Vertreter für meine noch etwas unterbesetzte Wühlkiste. Terminator Salvation stand nie unter einem guten Stern. Kein James Cameron, Kein Arnie, PG-13. Letztendlich waren es alle 3 Knockout Kriterien, die diesem Machwerk das Genick brachen. Zudem waren alle hohen Tiere anscheinend gemeinsam beim Chinesen auf eine gemütliche Runde Opium, als man sich entschied McG für den Posten des Regisseurs anzuheuern. Joseph McGinty Nichol, kurz, McG ist ein Regisseur, der in der Vergangenheit hauptsächlich im TV-Sektor tätig war. Dem Mann nun ein 200 Millionen Dollar teures Projekt in die Hände zu legen war da beinahe schon etwas unfair.

Da die Erwartungshaltung der Fans nahezu astronomisch waren, gab es den ersten Dämpfer bereits als die Altersfreigabe aus den USA verkündet wurde. Der Verleih peilte ein lukratives PG-13 Rating an. Die niedrig angesetzte Altersfreigabe war natürlich ein sicheres Ding, um auch Teenager in den neuen Terminator-Film zu locken. Die Rechnung sollte aber nicht ganz aufgehen. Während Terminator Salvation kein völliger Box Office Flop war, lag er bei einem Budget von 200 Millionen US Dollar und einem weltweiten Einspielergebnis von 371 Millionen US Dollar noch immer weit hinter den Erwartungen der Produzenten. Für das Terminator Franchise war bereits Teil 3 eine mittelschwere Enttäuschung, konnte der Film aber noch immer von Schwarzenegger und R-Rating Bonus profitieren.

Doch woran genau scheiterte Terminator Salvation? Die Fans hatten sich doch immer einen Terminator Ableger gewünscht, der genau so aufgebaut ist wie Kyle Reese's düstere Rückblenden aus dem Erstwerk. Wollten eben jene Fans nicht mehr den Krieg der Maschinen in einer völlig zerstörten Zukunft sehen? Aber natürlich wollten sie das! Allerdings nicht so. McG's hektischer Stil kommt einem Musikvideo gleich. Dazu kommt ein hauchdünner, schwacher Plot der das Franchise noch weiter in Verruf bringt (Teil 3 lässt grüßen) und eine Auswahl von Schauspielern, die den Eindruck vermitteln, sie hätten nicht einmal so richtig lust auf dieses Projekt. Sam Worthingtons Charakter Marcus Wright ist überflüssig, obwohl er der Protagonist ist. Christian Bale als Kriegsheld John Connor bleibt blass und unglaubwürdig. Bale bereut mittlerweile, je an diesem Projekt mitgewirkt zu haben. Beinahe bekannter als der komplette Film wurde Bales bereits legendärer Ausraster am Set zu Terminator Salvation.
Ein wenig überzeugendes Script, schwache Darsteller und ein völlig überforderter Regisseur haben hier ein Erbe angetreten, welches sie unmöglich bestreiten konnten.

Zuletzt wäre da noch die von McG vielfach angepriesene und von Fans heiß erwartete Unrated-Fassung für das Heimkino. In dieser Fassung sollten dann Inhalte zu sehen sein, die für die PG-13 Freigabe weichen mussten. Am Ende bezog sich ein Großteil dieser Inhalte auf Schauspielerin Moon Bloodgoods entblößte Brüste, die für den Bruchteil einer Sekunde in der Unrated-Fassung zu sehen sind. Alle weiteren, hinzugefügten Szenen sind nichts weiter als Lückenfüller, die es bestenfalls als Deleted Scenes unter die Extras eines Filmes schaffen. Zumindest der Regisseur war aber auf Moons entblößte Tittchen sehr stolz. Alle nun angefixten Leser, die den Film bisher noch nicht gesehen haben, sollten sich aber nicht zu sehr freuen. Bei einem Gang ins Freibad wird man vermutlich detailreichere Einblicke bekommen.





Resümee


Ob Terminator Salvation ein Ausrutscher war, wird Terminator Genisys zeigen. Schwarzenegger wird im kommendem Film zwar wieder zu sehen sein, über die Altersfreigabe wird aber noch immer entschieden (sofern es da noch kein Update geben sollte) und mit "Thor" Regisseur Alan Taylor hat man erneut einen Mann aus dem TV-Sektor engagiert (auch wenn seine Vita relativ beeindruckend ist und etliche namhafte Serien dabei sind). Ob aber ein alternder Arnie, John McClanes talentloser Sohn und Daenerys Targaryen das Ruder noch rumreißen können, ich wage es zu bezweifeln.


Terminator Salvation wird wohl einen eher trauriges Stand in der Historie des Franchise finden. Aus Entertainment Sichtweise ist der Film ein stumpfsinniger Blockbuster der sogar extrem kurzweilig sein kann. Als Gesamtwerk und Teil des Terminator Franchise eine riesige Enttäuschung, sowohl als Film als auch kommerziell. Wer oder Was hier nun erlöst wurde, wird auf immer ein Rätsel bleiben, aber für alle Beteiligten dürfte der Titel wohl Programm sein. Die Klospülung ist jedenfalls aktiviert!

Samstag, 7. März 2015

Das Ding mit YouTube




Das wohl bekannteste Logo, welches man auf YouTube neben dem Schriftzug finden wird. Der melancholische Smiley, der die Zuschauer darauf aufmerksam macht, dieser oder jener Lizenzinhaber hat Copyright Ansprüche erhoben. Bei dem ganzen Abmahn-Wahn der letzten Jahre werden täglich etliche Inhalte von YouTube gelöscht oder gar komplette Accounts gesperrt, weil die Benutzer zu oft abgemahnt wurden.

Auch die von mir bereitgestellten YouTube Inhalte, die ihr hier findet, sind davor natürlich nicht geschützt. Da ich in den vergangenen Jahren ziemlich viele YouTube Inhalte mit meinem Blog verknüpft habe, sind, was eine letzte Inspektion mir bewies, zahlreiche Videos unlängst gelöscht. Da ich keine Haftung für die Inhalte Dritter übernehme kann ich natürlich nicht garantieren, dass die Videos auch weiterhin in meinen von mir verfassten Artikeln bestehen bleiben. Wer also in einem Einwurf oder einer Rezension ein gelöschtes YouTube Video findet, der muss sich (leider) damit abfinden. Aufgrund der Kurzlebigkeit dieser Inhalte lohnt es sich einfach nicht, sie ständig in den jeweiligen Einträgen zu aktualisieren.

Ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis. Viel Spaß weiterhin auf Am Meer ist es wärmer.

Ein schönes Wochenende,
Euer Aufziehvogel

Freitag, 6. März 2015

Rezension: Die Zeit nach Mitternacht



Trailer




USA 1985

Die Zeit nach Mitternacht
Originaltitel: After Hours
Regie: Martin Scorsese
Darsteller: Griffin Dunne, Rosanna Arquette, Verna Bloom, Cheech Marin, Tommy Chong
Lauflänge: Circa 97 Minuten
Genre: Schwarze Komödie
FSK: 12


Im Jahr 1985 hat man noch keine "Rezis" geschrieben, sondern "Rezensionen". Und sehr wahrscheinlich wurden diese Rezensionen auch noch abgedruckt! Unsere heutige Fastfood Generation hat es da mit Smartphones und Tablets als Informationsquelle einfacher (nicht abwertend gemeint, ohne diese Gerätschaften gäbe es wohl auch keine große Relevanz für Blogs). 
Echte Handarbeit ist rar geworden und auch alte Haudegen wie Martin Scorsese müssen sich jener Fastfood Generation anpassen. Darunter Leute, die für alles eine Abkürzung benutzen und Selfies auf versifften Toiletten machen. So ist es auch irgendwie wenig überraschend, dass Scorsese 2013 mit "The Wolf of Wall Street" eben einen solchen Film für diese Generation gedreht hat. Auch wenn ich grundsätzlich keinen Scorsese Film jemals ablehnen würde, in meine Top 5 würde die völlig überdrehte Koks und Sex Orgie um den gescheiterten Ex Stock-Broker Jordan Belfort nicht landen.

Doch Martin Scorseses Filmografie ist umfangreich. Umso trauriger ist es, viele Fans fixieren sich alleine auf seine Gangster- und Unterwelt-Dramen wie "Good Fellas", "Casino" oder aber auch "The Departed" (es soll auch jene Leute geben, die seinen Namen nur mit "Taxi Driver" in Verbindung bringen). Aber dann gibt es da auch noch die großen Werke, die vielleicht etwas in den Hintergrund geraten sind. "Kap der Angst", "Aviator" oder "Shutter Island". All diese drei Filme unterscheiden sich erheblich voneinander und beweisen, wie Wandlungsfähig ein Scorsese Film sein kann.

Genau wie die Absätze dieses Textes, geht es aber auch tiefer in Scorseses Welt. Denn es existiert da tatsächlich noch ein kleiner Edelstein, bei all den großen Kalibern an Goldbarren. Die Rede ist von einem beinahe schon ins Abseits geratenen Filmes aus Scorseses großartiger Filmografie. Ein Film, ohne Beteiligung von De Niro oder Di Caprio. Ein Film ohne HD Neuauflage und ohne Smartphones. "Die Zeit nach Mitternacht" oder, ein wenig stilvoller im Original, "After Hours", ist Martin Scorseses vergessener Film. Ein Film mit typischen Scorsese Elementen und doch ist er so angenehm fremdartig. Eine Schwarze Komödie die einer griechischen Tragödie gleichkommt. Was rede ich da, die Odyssee von Paul Hackett durch ein SoHo nach Mitternacht ist dramatischer als die komplette Ilias von Homer.

Die Geschichte dreht sich um den Programmierer Paul Hackett (Griffin Dunne). Der Prototyp Charakter zu extrem bekannten Figuren wie die des Ted Mosby aus "How I Met Your Mother". Ein ganz gewöhnlicher New Yorker angestellter, langweilig, Single und ein wenig einsam. An einem späten Abend in einem Cafe kommt Paul durch einen Zufall mit einer interessanten Frau ins Gespräch. Marcy (Rosanna Arquette), so der Name dieser schönen Blondine und Paul haben ähnliche Interessen und die beiden kommen schnell auf einen Nenner. Marcy überreicht Paul  die Telefonnummer einer Freundin, bei der sie die Nacht verbringen wird. Nur kurze Zeit später tätigt Paul bei sich daheim den Anruf und verabredet sich mit Marcy. Der Treffpunkt findet bei Kiki statt, eine Bildhauerin die inmitten des Szeneviertels SoHo wohnt. Euphorisch schwingt sich Paul in ein Taxi und mit der ersten Panne, dem Verlust seines einzigen Geldscheins, beginnt für ihn die (alptraumhafte) Zeit nach Mitternacht.

Im Kern ist "Die Zeit nach Mitternacht" eine extrem schräge Komödie. Ausgiebige Dialoge wie bei Scorsese üblich gibts in Hülle und Fülle. Es wird am laufendem Bande gute Musik gespielt (darunter ein Original Score von Howard Shore) und die fantastischen Darsteller runden dieses einzigartige Filmerlebnis ab (erwähnenswert wäre da auch noch der sehr amüsante Auftritt von Cheech Marin und Tommy Chong, die einmal mehr als Duo unterwegs sind). Besonders Griffin Dunne als moderner Odysseus der verzweifelt einen Weg nach Hause sucht liefert eine herrliche Darbietung ab. Bei einer extrem schlanken Laufzeit von knapp 97 Minuten ist keine einzige davon verschwendet (für Scorsese Verhältnisse eigentlich schon ein Kurzfilm). Etwas, was mir jedoch aufgefallen ist, im Endspurt verliert der Film vielleicht etwas zu sehr den roten Faden. Damit meine ich die verrückten Wendungen, die rund um Paul stattfinden. Allerdings unterstreicht besonders das Ende des Filmes sehr gut den "Wahnsinn", den Paul in dieser Nacht erlebt. Wenn man, bevor man den Film schaut, nicht unbedingt den Name des Regisseurs irgendwo aufgreift (oder ihn nicht kennt), könnte nämlich zu Beginn auf die falsche Fährte gelockt werden, es handle sich bei diesem Film um eine generische romantische Komödie (eine sogenannte Rom Com). Nach spätestens einer halben Stunde wird der Zuschauer jedoch eines besseren belehrt werden.


Resümee

"Die Zeit nach Mitternacht" ist die art Film, zu der Martin Scorsese wohl nie wieder zurückkehren wird. Trotz all der verrückten Ideen ist der Film wesentlich bodenständiger als beispielsweise "The Wolf of Wall Street". Manchmal ist etwas weniger eben dennoch mehr. 
Die DVD von "After Hours" ist in Deutschland mittlerweile unlängst Out of Print und ein HD-Master scheint es weltweit (noch) nicht zu geben. Ob es dieses überhaupt jemals geben wird, ist an sich fraglich. Schade ist diese stiefmütterliche Behandlung alle male. Aber Sergio Leones "Todesmelodie" hat im letzten Jahr bewiesen, selbst die vermeintlich ungeliebten Kinder schaffen es irgendwann noch einmal auf Blu-ray.

Wer die Chance hat, sich "Die Zeit nach Mitternacht" ansehen zu können, sollte diese als Filmliebhaber nicht verstreichen lassen. Ab und an läuft der Film noch als Klassiker im Pay-TV. Aber auch jede halbwegs gut sortierte Videothek sollte den Film führen. Aber hier sind wir ja wieder beim Generationswechsel angekommen. Natürlich nur, sofern der Inhaber noch nicht das altertümliche Medium, die DVD, auf den Müll geworfen hat.