Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Review: Short Peace


Trailer




Japan 2012/2013/2014

Short Peace
Originaltitel: Short Peace: Tsukigime Ranko no Ichiban Nagai Hi
Idee: Katsuhiro Otomo
Regie: Koji Morimoto, Shuhei Morita, Katsuhiro Otomo, Hiroaki Ando, Hajime Katoki, Goichi Suda (Suda 51)
Sprecher: Nicht verfügbar
Lauflänge: 68 Minuten (Laufzeit ohne Berechnung von Ranko Tsukigime's Longest Day Segment)
Genre: Anime, Anthologie, Fantasy, Drama, Science-Fiction, Slice of Life
USK/FSK: Ab 16


Short Peace ist ein ungewöhnliches Multimedia Projekt. Produziert von Sunrise und Shochiku, reiht sich diese Anthologie an Anime-Kurzfilmen nahtlos in Werke wie Memories oder Genius Party ein. Allerdings mit einem kleinen Twist. Ohne die kurze Einführung unter der Regie von Koji Morimoto mitzuzählen, beinhaltet Short Peace 4 Kurzfilme, die allesamt ein Thema gemeinsam haben. Japan im Wandel der Zeit. Präsentiert werden Episoden aus Japans Vergangenheit und Japans Zukunft. Auf der Strecke blieb jedoch Japans Gegenwart. Und eigens dafür wurde 2014 nun eine fünfte Episode nachgereicht. Und da Japans Popkultur alles andere als gewöhnlich ist, entschied man sich auch für ein noch ungewöhnlicheres Stilmittel. So ist dieser fünfte Part von Short Peace ein Mix aus Anime-Kurzfilm und Videospiel. Die Idee dahinter ist schlichtweg genial, wenn auch vielleicht nicht alle in den Genuss von Ranko Tsukigime's Longest Day kommen werden, denn hierbei handelt es sich um ein Playstation 3 Videospiel unter der Regie von Japans kontrovers diskutiertem Videospiel-Designer Goichi Suda aka Suda 51. Während Short Peace natürlich auch als Vierteiler funktioniert, so ist das Werk aber dennoch unvollständig wenn man die fünfte Episode verpassen sollte. Es ist das fehlende Puzzlestück, welches diese Anthologie erst einmal komplett macht.

Short Peace ist, praktisch, Japan in seiner reinsten Kultur, gepresst auf Blu-ray. Präsentiert wird das Gesamtwerk (inklusive Ranko Tsukigime) auf einer Playstation 3 Disc. Hier sollte man aber nun nicht erschrecken, denn obwohl es sich hier um eine Playstation 3 Disc handelt und verpackt in einer Playstation 3 Hülle ist, lässt sich die Disc auf jedem handelsüblichem Blu-ray Player, Playstation 3, Playstation 4, einer Xbox One oder einem Blu-ray Laufwerk am PC abspielen. Auf die fünfte Episode hat man, wie schon erwähnt, jedoch nur Zugriff wenn man eine Playstation 3 besitzt.

Der Entschluss, diese Anthologie in den Westen zu bringen, wurde wohl bereits während der Produktion gefasst. Dennoch bekommt die Sammlung nicht unbedingt die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Eine Teilschuld in Europa trägt daran auch Publisher Bandai Namco. Als der Titel im Frühjahr dieses Jahres erschienen ist, lag die unverbindliche Preisempfehlung bei 55-60 Euro. Das bei einer Spielzeit von maximal 150 Minuten (je nachdem wie schnell man Ranko Tsukigime's Longest Day durchspielt, ich habe knapp 80 Minuten gebraucht) dieser so hohe Preis nicht gerechtfertigt ist, dürfte dieser Fakt auch viele Interessenten abgeschreckt haben. Mittlerweile scheint Bandai Namco einsichtig geworden zu sein und viele Händler drosselten den Preis bereits auf 15-20 Euro.

Bevor ich zu meinem Fazit komme, möchte ich einmal kurz auf alle 5 Episoden eingehen. Das farbenfrohe Opening von Koji Morimoto möchte ich jedoch nicht mit einfließen lassen, denn dafür ist diese Einführung einfach schon wieder zu kurz.



Possessions




Possessions (Tsukumo)
Regie: Shuhei Morita
Lauflänge: Circa 14 Minuten

Possessions ist vielleicht einigen Lesern noch ein Begriff, sollten sie die vergangene Oscar Verleihung Anfang des Jahres verfolgt haben. Shuhei Moritas brillant surrealer Kurzfilm über einen Wanderer, der an einem verregnetem Abend in einem Wald an einem Schrein halt macht um Schutz vor dem Regen zu suchen und dabei durch die Geister dieses Schreins in eine andere Dimension gerät, war für den Oscar zum besten animierten Kurzfilm nominiert, musste sich aber leider gegen Mister Hublot, dem Beitrag aus Luxemburg geschlagen geben.

Die Geschichte über den einsamen Wanderer aus dem alten Japan, der, statt sich zu fürchten, das nützlichste aus seiner Lage herausholt, wurde charmant und humorvoll mit einem ungewöhnlichem Zeichenstil umgesetzt. Die Magie der Bilder erinnert dabei schon ein wenig an ein Ghibli Werk. Eine große Geschichte mit Tiefgang darf man bei gerade einmal 14 Minuten nicht erwarten, aber eine verstrickte Geschichte erzählen will Shuhei Morita auch gar nicht. Er überzeugt durch die Kunst der Animation, und darin brilliert dieser Kurzfilm.


Combustible



Combustible (Hi no Yojin)
Regie: Katsuhiro Otomo
Lauflänge: Circa 12 Minuten

Ausgerechnet Combustible, jener Kurzfilm, der unter der Regie von Manga und Anime Veteran Katsuhiro Otomo (Akira) entstand, ist das vermeintlich schwächste Segment dieser Anthologie. Allerdings besteht die Kritik auch lediglich an der Kürze der Lauflänge und dem abrupften Ende (welches im nachhinein perfekt zu der Tragödie passt, die in diesem Kurzfilm die Geschichte prägt). Denn manchmal hat man einfach den Eindruck, hier würden rund 12 Minuten aus einem wesentlich längerem Spielfilm gezeigt werden. So wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier eine lange Preview gesehen habe, zu einem Spielfilm, der demnächst erscheinen wird.

Für Otomo ist dieser Kurzfilm relativ ungewöhnlich, entsprang die Idee dazu nämlich komplett aus seiner Feder. Erzählt wird hier die Geschichte einer Jugendliebe aus dem Japan des 18. Jahrhunderts. Die Kaufmanns Tochter Owaka fühlt sich zu ihrem Kindheitsfreund Matsukichi hingezogen. Dieser stammt ebenfalls aus gutem Hause, wird von seinem Vater allerdings entehrt als dieser tätowiert zuhause auftaucht und sich dazu entschlossen hat, sich der Feuerwehr von Edo anzuschließen. Owaka, bestürzt darüber das sie ihre große Liebe vermutlich nicht wiedersehen wird, und auch noch verheiratet werden soll, tut sie etwas, was nicht nur sie selbst sondern ganz Edo in den Ruin führen könnte.

Otomo ist eher bekannt für gesellschaftskritische Werke, die beinahe schon einer Satire gleichkommen. Darunter Akira, oder, um auf die Satire zurückzukommen, das Segment Cannon Fodder aus der Anthologie Memories (1995). Ein Liebesdrama aus dem alten Edo ist ihm nicht unbedingt zuzutrauen, besonders da ein typisches Werk von ihm ebenfalls noch in Short Peace umgesetzt wurde (dazu gleich mehr). Auch wenn Combustible nicht ganz mit den anderen Episoden mithalten kann, so ist die Geschicht trotz der Kürze verhältnismäßig gut umgesetzt. Und obendrauf kommt noch eine beeindruckende Optik, die absolutes Kinoformat hat.


Gambo



Gambo
Regie: Hiroaki Ando
Lauflänge: circa 12 Minuten

Der blutrünstigste Beitrag von Short Peace ist auch gleichzeitig eines der Highlights der Anthologie. In einem nicht näher beschriebenem antiken Japan kämpft ein mysteriöser Eisbär gegen einen gnadenlosen Dämon, der Dörfer tyrannisiert und deren Frauen verschleppt und diese als Gebärmaschinen missbraucht.

Schonungslos und mit einem einzigartigem Zeichenstil hat Hiroaki Ando einen Kurzfilm geschaffen, der den Schnee in diesem Segment blutrot färbt. Hier liegt in der Kürze ein großer Pluspunkt. Die Kreaturen bleiben allesamt mysteriös und die Ereignisse wollen sich nicht wirklichen erklären lassen. Ein starker Beitrag, der die japanische Animationskunst meisterhaft repräsentiert.


A Farewell to Weapons



A Farewell to Weapons (Buki yo Saraba)
Manga: Katsuhiro Otomo
Regie: Hajime Katoki
Laufzeit: Circa 25 Minuten

Der längste Kurzfilm, angesiedelt im Japan einer Postapokalypse, basiert auf einem Manga von Katsuhiro Otomo. Wer bei Combustible den typischen Stil von Otomo vermisst hat, wird ihn in Hajime Kataokis Segment wiederfinden. A Farewell to Weapons beginnt relativ langsam, steigert sich aber durch seine Actionszenen bis zum Showdown stetig. 

Während ich zum Ende aber noch nicht vollends begeistert war, konnten mich erst die letzten Szenen dieses Kurzfilmes so richtig überzeugen. Die nachhaltige Wirkung von A Farewell to Weapons hat mich sogar selbst erstaunt. Ein wenig wehmütig verabschiedet sich Short Peace mit einem letzten Blick auf den Fujiyama und lässt nichts weiter als eine Tokioter Ruine zurück. Der typisch gesellschaftskritische Kern eines Werkes von Katsuhiro Otomo kommt am Ende wieder vollkommen zur Geltung. Japan ist am Ende. Voll automatisierte Maschinen regieren die Ruinen des zerstören Japans. Eine düstere Science-Fiction Vision, die nur noch einmal dank des Galgenhumors am Ende den Zuschauer mit einem kleinen Lächeln zurücklässt. Gut möglich das A Farewell to Weapons erst beim zweiten mal zündet, danach wird man dieses Werk aber zu schätzen wissen.


Ranko Tsukigime's Longest Day



Ranko Tsukigime's Longest Day (Tsukigime Ranko no Ichiban Nagai Hi)
Regie: Goichi Suda
Lauflänge: Variiert (Circa 60-70 Minuten beim ersten Durchlauf)

Während der Film mit A Farewell to Weapons endet, gibt es noch eine Bonusrunde Short Peace. Und Short Peace schließt damit gleich eine fehlende Lücke in der Anthologie. Das Moderne Japan wurde im Kinofilm nicht gezeigt, und daher hat man sich dafür auch als Nachtrag etwas ganz besonderes ausgedacht. Da Manga, Anime und Videospiele zur japanischen Kultur gehören, packte Regisseur Suda 51 gleich alle Elemente in diese Episode. Ranko Tsukigime's Longest Day ist ein surrealer Trip durch das Japan der Gegenwart. Zu den Stilmitteln gehört einfach alles, was die japanische Popkultur ausmacht. Zwischen ständig wechselnden Zeichenstilen bei den Anime-Sequenzen bis hin zu einer absolut verwirrenden und abgedrehten Geschichte, die man wohl nur komplett versteht, wenn man sich etwas mit der Modernen japanischen Gesellschaft beschäftigt. Denn einen tieferen Hintergrund hat Ranko Tsukigime's Longest Day eindeutig. Doch da möchte ich nicht zu viel verraten.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die gleichnamige Protagonistin Ranko Tsukigime. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Teenager, hat sie jedoch darunter zu leiden, die Tochter eines Parkhaus-Mogul zu sein. Somit verwandelt sich, wenn der Abend kommt, Ranko zu einer tödlichen Auftragsmörderin die den Tot ihrer Mutter rächen will, und das Ziel ihres Auftrages ist niemand geringeres als ihr eigener Vater.

So klischeehaft die Geschichte klingt, ist sie es selbstverständlich nicht. Jeder, der schon einmal ein Werk von Suda 51 (Killer 7) gespielt hat, weiß, so einfach ist es nicht. Ranko Tsukigime's Longest Day zu beschreiben würde mich vermutlich an die Grenzen meiner Fantasie bringen. Man muss das Spiel einfach selbst spielen um sich von all dem Wahnsinn überzeugen zu können.

Die Nettolaufzeit der Anime-Sequenzen dürfte auch um die 15-20 Minuten betragen (so genau habe ich nicht nachgerechnet). Das Videospiel an sich ist ein Action Plattformer in Hochgeschwindigkeit der sich an alte japanische Arcade Klassiker aus den Spielhallen orientiert. Aufgrund der kurzen Spielzeit von maximal 60-70 Minuten beim ersten Durchlauf fällt es mir schwer, dieses Werk zu bewerten. Als Beitrag zu Short Peace ist Ranko Tsukigime's Longest Day aber ein unverzichtbarer wie wundervoller Beitrag, der die populärsten Medien der japanischen Popkultur miteinander kombiniert. Für Fans von Goichi Suda ist dieses Segment sowieso unverzichtbar, da es im Spiel zahlreiche Verweise zu anderen Werken des umstrittenen Game-Desginers gibt.


Resümee

Jeder Film für sich würde natürlich in keinster weise funktionieren und den Zuschauer vermutlich enttäuscht zurücklassen. Das gleiche gilt für das Videospiel. Short Peace ist, wie der Name bereits sagt, kurz, und nur als Gesamtwerk entfaltet diese Sammlung an Kurzfilmen über Japan ihre wahre Wirkung. Die Kurzfilme von namhaften Regisseuren aus der Anime und Videospielbranche sind ein Fest für die Sinne. Optisch sehr beeindruckend, beweist jedes einzelne Segment, dass die japanische Animationskunst noch immer so faszinierend ist wie zu Zeiten der frühen Neunziger. Wie auch Japan  im Laufe der Zeit, ist auch die Manga und Anime Branche in einem Umbruch. Was mit Osamu Tezuka begann, hat Formen angenommen, die besonders alteingesessenen Liebhabern von Manga und Anime nicht mehr so ganz schmecken dürfte. In Short Peace geht man, so gesehen, zu jenen Anfängen zurück und beschränkt sich auf gewohnte Stilmittel die allesamt zünden.

Short Peace ist ein wichtiger Beitrag aus Japan, den man nur als Gesamtwerk genießen sollte. Durch schlechtes Marketing in Europa bekommt diese Anthologie längst nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Durch den neuen, attraktiven Preis von unter 20 Euro wird Short Peace aber hoffentlich einige neue Zuschauer gewinnen. Ein Werk, welches sich bestens eignet, mehrmals gesehen zu werden, denn bei der Kürze ist es möglich, einige Details zu übersehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen