Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Sonntag, 9. Februar 2014

Philip Seymour Hoffman: Leise die Bühne betreten - Schweigend verabschieden (1967 - 2014)



Wenn Hollywoods größter Charakterdarsteller seiner Generation stirbt, dann werden seine Filme nicht auf einmal die Besteller der Amazon-Charts sprengen. Es wird kaum kitschige Facebook oder Twitter Meldungen geben und auch die Medien werden sich nach mittelschwerer Berichterstattung ebenfalls in einigen Tagen zurückziehen. So einen Wirbel hätte Philip Seymour Hoffman auch gar nicht gewollt.
Das wäre einfach nicht sein Stil gewesen. Die große Bühne der Schauspielerei betrat er beinahe lautlos, und noch schweigsamer verabschiedete er sich von ihr.

Geboren am 23. Juli 1967, kam Philip Seymour Hoffman in New York auf die Welt. Ein Mann, mit unzählig vielen Gesichtern und Körperproportionen. Mal war er schlank und elegant gekleidet, mal trug er einen Vollbart, der sein Gesicht nahezu komplett bedeckte. Mal war er auch dick, hatte einen Bierbauch und war gekleidet, als wäre er Stammkunde in einem Secondhand Geschäft. Bei all diesen faszinierenden Facetten und Rollen, die Hoffman spielte, all diese vielen unterschiedlichen Gesichter, mit denen er in die Kamera blickte, ist es umso trauriger, sein echtes Gesicht, was sich hinter diesen Masken befand, hat er vermutlich selbst nie kennengelernt. Für eine Rolle konnte er sich komplett verwandeln. Ob als Schriftsteller Truman Capote oder dem zynischen CIA Beamten Gust Avrakotos. Oder aber auch als Sandy Lyle in "Along Came Polly", der gerne mal sch(l)urzte. Es war so, als konnte Hoffman in nur wenigen Sekunden, als würde man sich kurz umziehen, eine neue Rolle spielen. Ob ernst und nachdenklich, unberechenbar und boshaft oder aber auch komisch und albern. All diese Rollen stellten für ihn den perfekten Dress da. Als ob einem ein maßgeschneiderter angelegt wird. Alles passte immer so verdammt perfekt.




Aber hinter all diesen Masken steckte ein undurchschaubarer, nachdenklicher Mensch. Mit Drogen kämpfe Hoffman schon in seiner Jugend. Laut seinen Aussagen nahm er alles, was man ihm reichte. Ein Entzug in jungen Jahren war das Endergebnis. Von den Drogen schien er allerdings nie losgekommen zu sein. Besonders aktuelle Fotos ließen Gerüchte laut werden, Hoffman könnte abhängig von verschreibungspflichtigen Medikamenten sein. Mit Mitte 40 wirkte er von der äußeren Erscheinung her mindestens 10 Jahre älter. Wie schlimm es um Philip Seymour Hoffman stand, wussten wohl nicht einmal die Leute, die im Nahe standen. Auch das war nicht sein Stil. Leider wird auch Hoffmans Ableben fortan vermutlich immer wieder mit dem tragischen, wie vermeidbaren Tod von Heath Ledger verbunden werden.

Die Vita von Philip Seymour Hoffman ist jedoch umso beeindruckender. Dabei waren es hauptsächlich die Nebenrollen (Capote mal abgezogen), die ihm zu Weltruhm verhalfen. Ich glaube, anders hätte ich mir Hoffman auch gar nicht vorstellen können. Er bewies zwar das er auch eine Hauptrolle ausfüllen konnte, als Nebendarsteller brillierte er jedoch erst so richtig. Alleine seine Anwesenheit in "Der Krieg des Charlie Wilson" wertete den kompletten Film auf. Hoffman konnte sich perfekt in die jeweiligen Filme, in denen er mitspielte, integrieren. Den eigentlichen Hauptakteuren stahl er dabei meistens die Show. Wenn man von Nebenrollen spricht, hat Hoffman mindestens genau so viel geleistet wie ein Darsteller in der Rubrik des Hauptdarstellers. Nicht wenige forderten 2012 bei Paul Thomas Andersons "The Master", Hoffmans letzter Oscar-Nominierung, er hätte eigentlich in der Kategorie des Hauptdarstellers nominiert werden müssen (diese Nominierung erhielt Joaquin Phoenix, ebenfalls für "The Master", beide Schauspieler gingen jedoch ohne Preis nach Hause). Deutschsprachige Filmfans werden sich an die Vergabe der Oscars 2012 noch genau erinnern, denn es war Christoph Waltz, der den Preis in der Kategorie "Bester Nebendarsteller" für seine Leistungen in Quentin Tarantinos "Django Unchained" abräumte.
Insgesamt wurde Philip Seymour Hoffman 5 mal für einen Golden Globe nominiert, wovon er einen gewann ("Capote"). Desweiteren erhielt Hoffman 4 Oscar-Nominierungen, von denen er ebenfalls eine Trophäe abräumte ("Capote"). Die Trophäe in Hoffmans Königsdisziplin gewann er somit nie. Es ist davon auszugehen, dass es dabei nicht geblieben wäre. Spätestens für sein Lebenswerk wäre Hoffman irgendwann noch einmal ausgezeichnet worden (und wird dieses wohl auch noch einmal, Postum).

Hoffman hinterlässt eine große Lücke in Hollywood. Bei den Dreharbeiten zu "The Hunger Games: Mockingjay Part 2" soll wohl eine wichtige Szene seines Charakters, Plutarch Heavensbee, noch nicht abgedreht sein. Kein Grund zur Aufregung, sagen die Macher, die Szene könne digital hinzugefügt werden (Lang Leben CGI und Hollywood).
Aus dem Sodom und Gomorrha der Boulevardpresse hielt er sich beinahe komplett raus. Dafür war er in seinen Filmen immer umso präsenter. Die Filmwelt sowie Filmliebhaber werden den Mann mit den vielen Gesichtern, der oftmals so verschlafen dreinblickte, schmerzlich vermissen. Nach Paul Walker und Maximillian Schell hat nun auch Philip Seymour Hoffman die Bühne verlassen.

Was Philip Seymour Hoffman hinterlassen hat, ist ein beeindruckendes Vermächtnis, ein Vermächtnis, welches wohl in den kommenden Jahren noch einmal genauer betrachtet werden wird. Und ich denke, jenes Vermächtnis wird schon bald immer mehr an Bedeutung in der Modernen Filmkunst gewinnen.



Philip Seymour Hoffman
23. Juli 1967 - 02. Februar 2014

Freitag, 7. Februar 2014

Leipziger Buchmesse 2014: Die Nominierten



Während die olympischen Winterspiele von Sochi in einigen Stunden mit viel Getöse eröffnet werden, müssen Bibliophile und bunte Cosplayer noch warten, bis die Leipziger Buchmesse ihre Pforten öffnet.

Deutschlands große Buchmesse steht zwar erst noch an, doch die Nominierungen in den Königsklassen wurden bereits angekündigt. Räumt man die begehrte Trophäe in der Kategorie "Belletristik" ab, ist ein Platz in der Spiegel Bestsellerliste meistens gesichert.
Insgesamt befinden sich je 5 Autoren in den beiden Kategorien "Belletristik" und "Sachbuch/Essayistik". Die letzte Kategorie ist für 5 Übersetzer in der Kategorie "Übersetzung" reserviert.

Wie versprochen kommen nun, Trommelwirbel, die Nominierten:

Belletristik

Fabian Hischmann
"Am Ende schmeissen wir mit Gold"
Berlin Verlag

Per Leo
"Flut und Boden: Roman einer Familie"
Klett-Cotta Verlag

Martin Mosebach
"Das Blutbuchenfest"
Carl Hanser Verlag

Katja Petrowskaja
"Vielleicht Esther"
Suhrkamp Verlag

Saša Stanišić
"Vor dem Fest"
Luchterhand Literaturverlag


Sachbuch/Essayistik

Diedrich Diederichsen
"Über Pop-Musik"
Kiepenheuer&Witsch

Jürgen Kaube
"Max Weber: Ein Leben zwischen den Epochen"
Rowohlt Verlag

Helmut Lethen
"Der Schatten des Fotografen"
Rowohlt Verlag

Barbara Vinken
"Angezogen: Das Geheimnis der Mode"
Klett-Cotta Verlag

Roger Willemsen
"Das Hohe Haus: Ein Jahr im Parlament"
S. Fischer Verlag


Übersetzung

Paul Berf
Übersetzt aus dem Norwegischen von Karl Ove Knausgård: "Spielen"
Luchterhand Literaturverlag

Robin Detje
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von William T. Vollmann: "Europe Central"
Suhrkamp Verlag

Ursula Gräfe
Übersetzt aus dem Japanischen von Haruki Murakami: "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki"
DuMont Buchverlag

Hinrich Schmidt-Henkel
Übersetzt aus dem Französischen von Denis Diderot: "Jacques der Fatalist und sein Herr"
Verlag Matthes & Seitz Berlin

Ernest Wichner
Übersetzt aus dem Rumänischen von Varujan Vosganian: "Buch des Flüsterns"
Paul Zsolnay Verlag 


Jury

Hubert Winkels
René Aguigah
Dirk Knipphals
Sandra Kegel
Ursula März
Lothar Müller
Daniela Strigl


Ich glaube für den Artikel habe ich länger gebraucht als für eine Rezension. Und das nur, weil da echt einige Zungenbrecher bei den Namen und Titel bei waren :D
Ich hoffe daher, alle Namen, Titel und Verlage korrekt abgetippt zu haben (sinnloses "Kopieren und Einfügen" gibts hier nicht!) ;)

Allen Nominierten wünsche ich Viel Glück und eine angenehme Leipziger Buchmesse 2014.

Detaillierte Infos zu den nominierten Autoren und Übersetzern findet ihr auf: 
Preis der Leipziger Buchmesse (Link zum anklicken)

Sonntag, 2. Februar 2014

Banana Yoshimoto: Ihre Nacht (Rezension)






Japan 2008

Ihre Nacht
Autorin: Banana Yoshimoto
Originaltitel: Kanojo ni tsuite
Erscheinungsjahr: 2008 (Japan), 2012 (Deutsch, Diogenes)
Übersetzung: Thomas Eggenberg
Genre: Familiendrama, Mystery


"Zum Beispiel, wie Shoichi sich langsam verändert; wie jedes Mal, wenn wir uns berühren, und mit jedem Tag die Glut von neuem und immer heftiger sich entfacht. Shoichi selbst nimmt es wohl kaum wahr, es ist nicht der Moment dafür. Er kommt mit vor wie leicht beschwipst. Ich verstehe ihn ja, er hat eine anstrengende Zeit hinter sich und gönnt sich jetzt ein wenig Abwechslung, ein wenig Urlaub. Ohne Verpflichtungen und ohne Telefoniererei, ohne allzu viele Gedanken an das, was kommen wird, fern von der wirklichen Welt.
Natürlich hat unser gemeinsames Abenteuer für mich eine ähnliche Bedeutung. Zwar weiß ich, wie es um mich steht, mit geradezu brutaler Sicherheit kann ich sagen, dass es keine Zukunft gibt. Aber dennoch genieße ich den Urlaub und bin meinen Gönnern, Shoichi und seiner Mutter, dankbar dafür. Diese Reise ist ein Geschenk. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich mich allein nie auf dem Weg gemacht hätte, ja nicht einmal geahnt hätte, wie ungeheuer wichtig es mich für sein könnte.
Innerlich zur Ruhe kommen - das bedeutet weder betrübtes Alleinsein noch übertriebenes Fröhlichsein; vielmehr ist es so, wie wenn man an einem kalten Wintertag in der warmen Strube sitzt und in die Schneelandschaft hinausschaut, über der ein silberweißer Schleier liegt. Auch ohne Sonnenschein und Himmelblau fügt sich alles zu einem bezaubernden, harmonischen Ganzen." 
(Banana Yoshimoto, Ihre Nacht, Diogenes Verlag, in einer Übersetzung von Thomas Eggenberg)




 "Tokio wird immer mehr zu einer Stadt voller einsamer und isolierter Menschen. Aber ich versuche, immer noch etwas Hoffnung in meinen Büchern zu hinterlassen." (Banana Yoshimoto in einem Interview)

Gelangt man zum Ende von Ihre Nacht, so fällt es schwer, Banana Yoshimoto dieses Zitat zu glauben. Aber dieses Gefühl wird man nur im ersten Moment haben. Wie immer ist es eine Sache der Interpretation, wie man das Ende der Geschichte auffasst.

Die Bestsellerautorin zählt in ihrem Heimatland zu den populärsten und auflagenstärksten Autorinnen. Auch im Westen machte sie bereits vor vielen Jahren mit ihrem Werk Kitchen auf sich aufmerksam. Gerne wird Banana Yoshimoto (geboren als Mahoko Yoshimoto) von westlichen Kritikern mit Haruki Murakami verglichen. Was aber auch ein gewagter Vergleich ist, denn die beiden Autoren unterscheiden sich vom Stil her ziemlich. Was die Thematik und Atmosphäre angeht, so würde ich jedoch teilweise zustimmen.
Das Stilmittel von Banana Yoshimoto dürfte die stets düstere, geheimnisvolle Atmosphäre sein, die ihre Geschichten zeichnet. Diese Atmosphäre spiegelt sich in fast allen ihrer Werke wieder. Im Gegensatz zu Haruki Murakami, der gerne westliche Elemente in seine Geschichten einbaut, sind Frau Yoshimotos Geschichten aber durch und durch japanisch. Man muss einfach eine gewisse Kenntnis sowie auch ein wenig Verständnis gegenüber der japanischen Kultur und Denkweise mitbringen. Erst dann entfalten sich die Geschichten der Autorin zu einem wunderschönen Gemälde.

"Ihre Nacht" hat es mir aber dennoch zu Beginn schwer gemacht. Das Buch fängt an als ein flüssig erzähltes Familiendrama, besitzt einen Mittelteil, dem es manchmal sogar etwas an Elan fehlt. Das Ende ist jedoch so überraschend konzipiert, dass wohl kaum ein Leser mit den Auflösungen der Ereignisse in dieser art rechnen dürfte. So spielte anfängliche Ernüchterung und Begeisterung eine wichtige Rolle bei meinen abschließenden Gedanken, als ich die Lektüre schloss. In meiner Rezension versuche ich selbst noch einmal ein wenig über die Geschehnisse im Buch zu sinnieren.

Erzählt wird die Geschichte von Ich-Erzählerin Yumiko. Die Vergangenheit von Yumiko kann man nur als tragisch bezeichnen. Ihre Familie machte sich mit einem Geschäft für Feinschmecker Produkte einen Namen. Schnell floss das Geld und alle beteiligten führten fortan ein sorgloses Leben. Yumikos Mutter hingegen wurde stets gieriger. Immer mehr veränderte Yumikos Mutter sich und wurde noch gieriger, bis es sogar so weit ging, dass sie fragwürdige Seancen hielt, um mit Geistern zu kommunizieren. Diese Seancen sollten zur Folge haben, dass das Familiengeschäft fortan noch besser laufen sollte. Immer mehr driftete die fanatische Geschäftsfrau ab, bis es sogar einen Krach in der Familie gab und sie sich mit ihrer Teilhaberin und Zwillingsschwester für immer auseinanderlebte. Obwohl es Yumiko an nichts mangelte in ihrem Leben, bekam sie von ihrem Vater, der immer mehr den Fußabtreter seiner Frau spielte, nicht die Aufmerksamkeit, die sie sich wünschte. Der mental schwache Vater gehorchte seiner Frau aufs Wort. Bei der letzten Seance, die im Anwesen von Yumikos Eltern gehalten wurde, kam es zu einem dramatischen Ereignis als ihre Mutter endgültig den Verstand verlor. Jahre später, Yumiko ist bereits eine Erwachsene Frau, besucht sie auf einmal ihr Cousin Shoichi, der, den letzten Wunsch seiner verstorbenen Mutter erfüllend, Yumiko auffinden sollte. Erneut konfrontiert mit ihrer Vergangenheit nimmt die vom Weg abgekommene Yumi es noch einmal mit den Geistern vergangener Tage auf, denn irgendwann muss man sich diesen stellen. Für Yumi und Shoichi beginnt eine Reise, bei der das Ziel bisher noch unbekannt ist.

Einsamkeit, Isolation, Selbstfindung. Dies sind die Themen, die Banana Yoshimoto in ihrem Roman aufgreift. Protagonistin Yumiko hat eine schreckliche Vergangenheit hinter sich und konnte nicht ein einziges mal in ihrem Leben ruhe finden. Immer wieder verfolgten sie die Ereignisse aus ihrer Kindheit. Die rastlose und nachtaktive Yumiko (daher könnte der deutsche Titel rühren, der sich doch stark vom Originaltitel unterscheidet) lebt von einen Tag in den nächsten hinein. So richtig zuhause fühlt sie sich ebenfalls nirgendwo. Sie wurde von der Familie enterbt und führt ein Leben in völliger Bedeutungslosigkeit. All das soll sich aber ändern, als ihr Cousin Shoichi vor ihrer Tür steht, den sie zuletzt in ihrer Kindheit sah. Die Geschichte handelt von zwei sehr ungleichen Menschen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, könnte man sagen. Die Reise mit Shoichi wird für Yumiko zu einer Art Pilgerreise. Die Vergangenheit hält sie, je weiter sie kommen, immer mehr für einen schlechten Traum. In ihrer Vorstellung macht sich ein Anachronismus breit, der Yumikos gesamte Vergangenheit in einen Nebel hüllt.

Als Leser nahm ich natürlich an Yumikos Reise teil. Als schweigsamer Begleiter ging ich gemeinsam mit ihr an all die verschiedenen Orte aus ihrer Vergangenheit.
Banana Yoshimotos Schreibstil ist leicht und verständlich, sogar recht locker. Für eine Autorin, die in den Sechzigern geboren ist, kann sie sich noch sehr gut in eine Frau in ihren Zwanzigern hineinversetzen. Als eher lästig empfand ich jedoch, wie oft Yumiko regelrecht in einem Meer aus Selbstmitleid zerfloss. Obwohl Yumi jedes Recht dazu hat, hätte die Autorin hier und da etwas sparsamer damit umgehen können.
Wie ich bereits zu Beginn der Rezension erwähnt habe, fehlt es dem Mittelteil an echten Höhepunkten. Man könnte sagen, die Geschichte plätschert wie ein kleiner Bach, in einer abgelegenen Gegend von Kyoto, ein wenig vor sich hin. Was jetzt nicht bedeutet, die Geschichte würde dadurch langweilig werden. Die Seiten blättern sich zu jeder Zeit im Buch leicht und locker um. Allerdings fragt man sich irgendwann, ob "Ihre Nacht" auf etwas bestimmtes hinausläuft. Ob dieser Roman überhaupt ein Ziel hat. Doch dann kommt auf einmal das Ende, und man ist ganz regelrecht sprachlos

Die Übersetzung von Thomas Eggenberg ließt sich ebenfalls flüssig und ist mit interessanten Randbemerkungen versehen (Kudos für die Biohazard/Resident Evil Anmerkung). Die wurden sehr sparsam hinzugefügt und immer genau passend gewählt.


Resümee

Obwohl sich "Ihre Nacht" so leicht ließt, bleibt am Ende sogar ein recht schweres Werk zurück.
Neben bereits besprochenen Themen wie Einsamkeit und Isolation spielt auch das Thema um Liebschaften in der eigenen Familie keine unwichtige Rolle. Auch der Leser wird hier eine Achterbahn der Gefühle miterleben. Nach einem mehr als soliden Auftakt folgt ein etwas [zu] ruhiger Mittelteil um jeden Leser anschließend am Ende durch den Looping zu schießen. 

Banana Yoshimoto hat, und da muss man "Ihre Nacht" loben, einen sehr geheimnisvollen Großstadtroman geschrieben, der irgendwo zwischen düsterer Wirklichkeit und Traum wandelt. Die Thematik ist ernst und macht nachdenklich, die Protagonistin hingegen scheint sich, glaubt man ihren Worten, gar nicht mehr in der Realität zu befinden. Die wirklich sehr pessimistische Protagonistin öffnet sich dem Leser nur spärlich und doch kann man ungefähr erahnen, wie ihr Leben bis zu dem Auftauchen ihres Cousins bisher abgelaufen sein muss. Die Pessimisten unter uns werden die Geschichte wohl nicht als hoffnungsvoll erachten, die Optimisten dagegen werden bestimmt jene Hoffnung aus Banana Yoshimotos Buch angeln, von der sie am Anfang dieser Rezension gesprochen hat. Als Lektüre für die Nacht eignet sich ihr Roman bestens und sollte von Freunden der japanischen Literatur unbedingt mal näher betrachtet werden.


Abschließen möchte ich diese Besprechung mit einem Song, der nicht nur den Originaltitel des Romans enthält, sondern auch noch sehr gut zur Stimmung der Geschichte passt.


Malcolm McClaren - About Her 


Sayonara, Ihr Daumen



Es gibt Bücher oder Filme, da können auch Zahlen oder Daumen kein Fazit ausdrücken. Bei meinem letzten Buch, welches ich Gestern ausgelesen habe, ist mir das klar geworden. Nachdem ich mich bereits im vergangenen Jahr von den Skala-Bewertungen verabschiedete, und mich mehr von Wertungen distanzieren wollte, führte ich die Daumen ein (ein Schelm möge aus diesem Satz nun etwas verruchtes interpretieren). Und ich bin zum Entschluss gekommen, die Daumen bringen es erst recht nicht. Viel zu schwammig und ungenau drücken sie das aus, was ich im Resümee immer versuche, zu beschreiben.

Desweiteren könnten die Daumen auch den Lesern dieses Blogs gegenüber respektlos erscheinen. Sie erwecken den Anschein, als traue man ihnen nicht zu, die Texte der Rezensionen aufrichtig zu lesen. Egal wie man es aber auch nun sehen mag, die Daumen erwecken einen falschen Eindruck. Sie sind zwar schön bunt und spiegeln die Farbe einer Ampel wieder, aussagekräftig sind sie aber nicht. Deswegen möchte ich mich ein für alle male von den Bewertungen verabschieden. Für alle, die sich orientieren wollen, aber keine lust auf zu viel Text haben, ist weiterhin das Resümee gegen Ende der Rezension das Schlüsselelement, wenn es darum geht, meine Meinung über den besprochenen Titel zu erfahren.

Selbstverständlich bleiben alle mit einem Daumen bewerteten Rezensionen bestehen und werden nicht mehr editiert.

Einen lesefreudigen Sonntag wünscht,
Aufziehvogel