Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Review: Short Peace


Trailer




Japan 2012/2013/2014

Short Peace
Originaltitel: Short Peace: Tsukigime Ranko no Ichiban Nagai Hi
Idee: Katsuhiro Otomo
Regie: Koji Morimoto, Shuhei Morita, Katsuhiro Otomo, Hiroaki Ando, Hajime Katoki, Goichi Suda (Suda 51)
Sprecher: Nicht verfügbar
Lauflänge: 68 Minuten (Laufzeit ohne Berechnung von Ranko Tsukigime's Longest Day Segment)
Genre: Anime, Anthologie, Fantasy, Drama, Science-Fiction, Slice of Life
USK/FSK: Ab 16


Short Peace ist ein ungewöhnliches Multimedia Projekt. Produziert von Sunrise und Shochiku, reiht sich diese Anthologie an Anime-Kurzfilmen nahtlos in Werke wie Memories oder Genius Party ein. Allerdings mit einem kleinen Twist. Ohne die kurze Einführung unter der Regie von Koji Morimoto mitzuzählen, beinhaltet Short Peace 4 Kurzfilme, die allesamt ein Thema gemeinsam haben. Japan im Wandel der Zeit. Präsentiert werden Episoden aus Japans Vergangenheit und Japans Zukunft. Auf der Strecke blieb jedoch Japans Gegenwart. Und eigens dafür wurde 2014 nun eine fünfte Episode nachgereicht. Und da Japans Popkultur alles andere als gewöhnlich ist, entschied man sich auch für ein noch ungewöhnlicheres Stilmittel. So ist dieser fünfte Part von Short Peace ein Mix aus Anime-Kurzfilm und Videospiel. Die Idee dahinter ist schlichtweg genial, wenn auch vielleicht nicht alle in den Genuss von Ranko Tsukigime's Longest Day kommen werden, denn hierbei handelt es sich um ein Playstation 3 Videospiel unter der Regie von Japans kontrovers diskutiertem Videospiel-Designer Goichi Suda aka Suda 51. Während Short Peace natürlich auch als Vierteiler funktioniert, so ist das Werk aber dennoch unvollständig wenn man die fünfte Episode verpassen sollte. Es ist das fehlende Puzzlestück, welches diese Anthologie erst einmal komplett macht.

Short Peace ist, praktisch, Japan in seiner reinsten Kultur, gepresst auf Blu-ray. Präsentiert wird das Gesamtwerk (inklusive Ranko Tsukigime) auf einer Playstation 3 Disc. Hier sollte man aber nun nicht erschrecken, denn obwohl es sich hier um eine Playstation 3 Disc handelt und verpackt in einer Playstation 3 Hülle ist, lässt sich die Disc auf jedem handelsüblichem Blu-ray Player, Playstation 3, Playstation 4, einer Xbox One oder einem Blu-ray Laufwerk am PC abspielen. Auf die fünfte Episode hat man, wie schon erwähnt, jedoch nur Zugriff wenn man eine Playstation 3 besitzt.

Der Entschluss, diese Anthologie in den Westen zu bringen, wurde wohl bereits während der Produktion gefasst. Dennoch bekommt die Sammlung nicht unbedingt die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Eine Teilschuld in Europa trägt daran auch Publisher Bandai Namco. Als der Titel im Frühjahr dieses Jahres erschienen ist, lag die unverbindliche Preisempfehlung bei 55-60 Euro. Das bei einer Spielzeit von maximal 150 Minuten (je nachdem wie schnell man Ranko Tsukigime's Longest Day durchspielt, ich habe knapp 80 Minuten gebraucht) dieser so hohe Preis nicht gerechtfertigt ist, dürfte dieser Fakt auch viele Interessenten abgeschreckt haben. Mittlerweile scheint Bandai Namco einsichtig geworden zu sein und viele Händler drosselten den Preis bereits auf 15-20 Euro.

Bevor ich zu meinem Fazit komme, möchte ich einmal kurz auf alle 5 Episoden eingehen. Das farbenfrohe Opening von Koji Morimoto möchte ich jedoch nicht mit einfließen lassen, denn dafür ist diese Einführung einfach schon wieder zu kurz.



Possessions




Possessions (Tsukumo)
Regie: Shuhei Morita
Lauflänge: Circa 14 Minuten

Possessions ist vielleicht einigen Lesern noch ein Begriff, sollten sie die vergangene Oscar Verleihung Anfang des Jahres verfolgt haben. Shuhei Moritas brillant surrealer Kurzfilm über einen Wanderer, der an einem verregnetem Abend in einem Wald an einem Schrein halt macht um Schutz vor dem Regen zu suchen und dabei durch die Geister dieses Schreins in eine andere Dimension gerät, war für den Oscar zum besten animierten Kurzfilm nominiert, musste sich aber leider gegen Mister Hublot, dem Beitrag aus Luxemburg geschlagen geben.

Die Geschichte über den einsamen Wanderer aus dem alten Japan, der, statt sich zu fürchten, das nützlichste aus seiner Lage herausholt, wurde charmant und humorvoll mit einem ungewöhnlichem Zeichenstil umgesetzt. Die Magie der Bilder erinnert dabei schon ein wenig an ein Ghibli Werk. Eine große Geschichte mit Tiefgang darf man bei gerade einmal 14 Minuten nicht erwarten, aber eine verstrickte Geschichte erzählen will Shuhei Morita auch gar nicht. Er überzeugt durch die Kunst der Animation, und darin brilliert dieser Kurzfilm.


Combustible



Combustible (Hi no Yojin)
Regie: Katsuhiro Otomo
Lauflänge: Circa 12 Minuten

Ausgerechnet Combustible, jener Kurzfilm, der unter der Regie von Manga und Anime Veteran Katsuhiro Otomo (Akira) entstand, ist das vermeintlich schwächste Segment dieser Anthologie. Allerdings besteht die Kritik auch lediglich an der Kürze der Lauflänge und dem abrupften Ende (welches im nachhinein perfekt zu der Tragödie passt, die in diesem Kurzfilm die Geschichte prägt). Denn manchmal hat man einfach den Eindruck, hier würden rund 12 Minuten aus einem wesentlich längerem Spielfilm gezeigt werden. So wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier eine lange Preview gesehen habe, zu einem Spielfilm, der demnächst erscheinen wird.

Für Otomo ist dieser Kurzfilm relativ ungewöhnlich, entsprang die Idee dazu nämlich komplett aus seiner Feder. Erzählt wird hier die Geschichte einer Jugendliebe aus dem Japan des 18. Jahrhunderts. Die Kaufmanns Tochter Owaka fühlt sich zu ihrem Kindheitsfreund Matsukichi hingezogen. Dieser stammt ebenfalls aus gutem Hause, wird von seinem Vater allerdings entehrt als dieser tätowiert zuhause auftaucht und sich dazu entschlossen hat, sich der Feuerwehr von Edo anzuschließen. Owaka, bestürzt darüber das sie ihre große Liebe vermutlich nicht wiedersehen wird, und auch noch verheiratet werden soll, tut sie etwas, was nicht nur sie selbst sondern ganz Edo in den Ruin führen könnte.

Otomo ist eher bekannt für gesellschaftskritische Werke, die beinahe schon einer Satire gleichkommen. Darunter Akira, oder, um auf die Satire zurückzukommen, das Segment Cannon Fodder aus der Anthologie Memories (1995). Ein Liebesdrama aus dem alten Edo ist ihm nicht unbedingt zuzutrauen, besonders da ein typisches Werk von ihm ebenfalls noch in Short Peace umgesetzt wurde (dazu gleich mehr). Auch wenn Combustible nicht ganz mit den anderen Episoden mithalten kann, so ist die Geschicht trotz der Kürze verhältnismäßig gut umgesetzt. Und obendrauf kommt noch eine beeindruckende Optik, die absolutes Kinoformat hat.


Gambo



Gambo
Regie: Hiroaki Ando
Lauflänge: circa 12 Minuten

Der blutrünstigste Beitrag von Short Peace ist auch gleichzeitig eines der Highlights der Anthologie. In einem nicht näher beschriebenem antiken Japan kämpft ein mysteriöser Eisbär gegen einen gnadenlosen Dämon, der Dörfer tyrannisiert und deren Frauen verschleppt und diese als Gebärmaschinen missbraucht.

Schonungslos und mit einem einzigartigem Zeichenstil hat Hiroaki Ando einen Kurzfilm geschaffen, der den Schnee in diesem Segment blutrot färbt. Hier liegt in der Kürze ein großer Pluspunkt. Die Kreaturen bleiben allesamt mysteriös und die Ereignisse wollen sich nicht wirklichen erklären lassen. Ein starker Beitrag, der die japanische Animationskunst meisterhaft repräsentiert.


A Farewell to Weapons



A Farewell to Weapons (Buki yo Saraba)
Manga: Katsuhiro Otomo
Regie: Hajime Katoki
Laufzeit: Circa 25 Minuten

Der längste Kurzfilm, angesiedelt im Japan einer Postapokalypse, basiert auf einem Manga von Katsuhiro Otomo. Wer bei Combustible den typischen Stil von Otomo vermisst hat, wird ihn in Hajime Kataokis Segment wiederfinden. A Farewell to Weapons beginnt relativ langsam, steigert sich aber durch seine Actionszenen bis zum Showdown stetig. 

Während ich zum Ende aber noch nicht vollends begeistert war, konnten mich erst die letzten Szenen dieses Kurzfilmes so richtig überzeugen. Die nachhaltige Wirkung von A Farewell to Weapons hat mich sogar selbst erstaunt. Ein wenig wehmütig verabschiedet sich Short Peace mit einem letzten Blick auf den Fujiyama und lässt nichts weiter als eine Tokioter Ruine zurück. Der typisch gesellschaftskritische Kern eines Werkes von Katsuhiro Otomo kommt am Ende wieder vollkommen zur Geltung. Japan ist am Ende. Voll automatisierte Maschinen regieren die Ruinen des zerstören Japans. Eine düstere Science-Fiction Vision, die nur noch einmal dank des Galgenhumors am Ende den Zuschauer mit einem kleinen Lächeln zurücklässt. Gut möglich das A Farewell to Weapons erst beim zweiten mal zündet, danach wird man dieses Werk aber zu schätzen wissen.


Ranko Tsukigime's Longest Day



Ranko Tsukigime's Longest Day (Tsukigime Ranko no Ichiban Nagai Hi)
Regie: Goichi Suda
Lauflänge: Variiert (Circa 60-70 Minuten beim ersten Durchlauf)

Während der Film mit A Farewell to Weapons endet, gibt es noch eine Bonusrunde Short Peace. Und Short Peace schließt damit gleich eine fehlende Lücke in der Anthologie. Das Moderne Japan wurde im Kinofilm nicht gezeigt, und daher hat man sich dafür auch als Nachtrag etwas ganz besonderes ausgedacht. Da Manga, Anime und Videospiele zur japanischen Kultur gehören, packte Regisseur Suda 51 gleich alle Elemente in diese Episode. Ranko Tsukigime's Longest Day ist ein surrealer Trip durch das Japan der Gegenwart. Zu den Stilmitteln gehört einfach alles, was die japanische Popkultur ausmacht. Zwischen ständig wechselnden Zeichenstilen bei den Anime-Sequenzen bis hin zu einer absolut verwirrenden und abgedrehten Geschichte, die man wohl nur komplett versteht, wenn man sich etwas mit der Modernen japanischen Gesellschaft beschäftigt. Denn einen tieferen Hintergrund hat Ranko Tsukigime's Longest Day eindeutig. Doch da möchte ich nicht zu viel verraten.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die gleichnamige Protagonistin Ranko Tsukigime. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Teenager, hat sie jedoch darunter zu leiden, die Tochter eines Parkhaus-Mogul zu sein. Somit verwandelt sich, wenn der Abend kommt, Ranko zu einer tödlichen Auftragsmörderin die den Tot ihrer Mutter rächen will, und das Ziel ihres Auftrages ist niemand geringeres als ihr eigener Vater.

So klischeehaft die Geschichte klingt, ist sie es selbstverständlich nicht. Jeder, der schon einmal ein Werk von Suda 51 (Killer 7) gespielt hat, weiß, so einfach ist es nicht. Ranko Tsukigime's Longest Day zu beschreiben würde mich vermutlich an die Grenzen meiner Fantasie bringen. Man muss das Spiel einfach selbst spielen um sich von all dem Wahnsinn überzeugen zu können.

Die Nettolaufzeit der Anime-Sequenzen dürfte auch um die 15-20 Minuten betragen (so genau habe ich nicht nachgerechnet). Das Videospiel an sich ist ein Action Plattformer in Hochgeschwindigkeit der sich an alte japanische Arcade Klassiker aus den Spielhallen orientiert. Aufgrund der kurzen Spielzeit von maximal 60-70 Minuten beim ersten Durchlauf fällt es mir schwer, dieses Werk zu bewerten. Als Beitrag zu Short Peace ist Ranko Tsukigime's Longest Day aber ein unverzichtbarer wie wundervoller Beitrag, der die populärsten Medien der japanischen Popkultur miteinander kombiniert. Für Fans von Goichi Suda ist dieses Segment sowieso unverzichtbar, da es im Spiel zahlreiche Verweise zu anderen Werken des umstrittenen Game-Desginers gibt.


Resümee

Jeder Film für sich würde natürlich in keinster weise funktionieren und den Zuschauer vermutlich enttäuscht zurücklassen. Das gleiche gilt für das Videospiel. Short Peace ist, wie der Name bereits sagt, kurz, und nur als Gesamtwerk entfaltet diese Sammlung an Kurzfilmen über Japan ihre wahre Wirkung. Die Kurzfilme von namhaften Regisseuren aus der Anime und Videospielbranche sind ein Fest für die Sinne. Optisch sehr beeindruckend, beweist jedes einzelne Segment, dass die japanische Animationskunst noch immer so faszinierend ist wie zu Zeiten der frühen Neunziger. Wie auch Japan  im Laufe der Zeit, ist auch die Manga und Anime Branche in einem Umbruch. Was mit Osamu Tezuka begann, hat Formen angenommen, die besonders alteingesessenen Liebhabern von Manga und Anime nicht mehr so ganz schmecken dürfte. In Short Peace geht man, so gesehen, zu jenen Anfängen zurück und beschränkt sich auf gewohnte Stilmittel die allesamt zünden.

Short Peace ist ein wichtiger Beitrag aus Japan, den man nur als Gesamtwerk genießen sollte. Durch schlechtes Marketing in Europa bekommt diese Anthologie längst nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient. Durch den neuen, attraktiven Preis von unter 20 Euro wird Short Peace aber hoffentlich einige neue Zuschauer gewinnen. Ein Werk, welches sich bestens eignet, mehrmals gesehen zu werden, denn bei der Kürze ist es möglich, einige Details zu übersehen.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Einwurf: Geht Hollywood an der PG-13 Seuche zugrunde?




Die Überschrift mag ein wenig irreführend sein. Die Weihnachtslichter in Burbank dürften auch in diesem Jahr wieder extrem hell leuchten, denn mit "Transformers 4: Ära des Untergangs" hat ein weiterer Film mit der amerikanischen PG-13 Altersfreigabe mächtig Kasse am Boxe Office gemacht. Über 1 Milliarde Dollar spielte der Film alleine im Kino ein, und da kommt noch einmal ein großer Batzen drauf wenn der Heimkino Markt erst einmal bedient ist. Für Paramount und auch viele andere Studios wird diese höchst lukrative Altersfreigabe wieder einmal die Bestätigung für große Einnahme an den Kinokassen sein. Paramount selbst scheint nach "Avatar" aber wenig gelernt zu haben, und so denkt man immer noch, dass der erfolgreichste Kinofilm des Jahres auch gleichzeitig der beste Kinofilm des Jahres ist. Oder zumindest will man das irgendwie versuchen, den Zuschauern klar zu machen. Denn das Studio war anscheinend betrunken  mutig genug, Transformers 4 bei der Academy einzureichen.

PG-13 dominiert das US-amerikanische Kino. Aber was genau hat es mit diesem Rating auf sich? Wie in jedem anderen Land sind Altersfreigaben in den USA bei Medien wie Filme und Videospiele Pflicht. Seit Urzeiten regelt dies die Motion Picture Association of America, kurz, die MPAA. Die MPAA hat es besonders in den letzten 10 Jahren durch strenge Auflagen den Filmemachern nicht leicht gemacht, die gewünschte Fassung des Regisseurs bzw. des Studios freizugeben. Oftmals hält sich die MPAA mit Kleinlichkeiten auf und lässt die Verantwortlichen gleich mehrere male antanzen wenn man eine begehrte Freigabe erreichen will. Diese Kleinlichkeiten führten dazu, dass viele Filme von vornherein auf eine PG-13 Freigabe abgestimmt werden, nämlich bereits beim Dreh des jeweiligen Filmes. Es reicht bereits ein "Fuck" an der falschen Stelle und der Film würde ein R-Rating kassieren. Dies würde bedeuten, Personen unter 17 Jahre können den Film nur in Begleitung eines Erwachsenen sehen (im Umkehrschluss zum PG-13 Rating, wo Personen unter 13 eine ältere Begleitperson mitbringen müssen). An sich ist das System der MPAA relativ gnädig, so das selbst Minderjährige in den Genuss von Filmen kommen können, die ausschließlich für ein Erwachsenes Publikum gedreht wurden. In Deutschland wäre solch eine Regelung völlig undenkbar.

Die Frage ist nun, wie gefährlich ist das PG-13 Rating? Man muss grundsätzlich unterscheiden von welchem PG-13 Rating man spricht. Die Freigabe wurde (dank Steven Spielberg) 1984 eingeführt und sollte ein neues Zwischenstück bilden. Filme, die zu grafisch für ein PG-Rating (lediglich ein Hinweis an Erziehungsberechtigte) waren, aber noch immer kein R-Rating rechtfertigten. In diese Kategorie fielen Filme wie "Indiana Jones", "Gremlins" und auch "Poltergeist" (in Deutschland alle ab 16 Freigegeben). Man hat eingesehen, dass man für solche Filme eine neue Freigabe brauchte. Und dies funktionierte bis 2004 auch wunderbar. In vielen PG-13 Filmen wie den "Beastmaster" gab es in einem wohl dosiertem Maße Nacktheit, auch grafische Darstellungen wie Blut oder ein paar Flüche waren kein Problem. In Deutschland lagen diese Filme stets bei einer FSK-16 Freigabe. Oder sogar bei einer FSK 18 Freigabe, wie es zum Beispiel bei "Dragon- Die Bruce Lee Story" oder "Mortal Kombat 2- Annihilation" der Fall war.

Gerade erwähnt, will ich nun aber ins Jahr 2004 zurückkehren. Bei der 38. Auflage des Super Bowls ist in der obligatorischen Halbzeitshow etwas skandalöses passiert. Durch einen angeblichen Patzer der Garderobe riss Justin Timberlake der völlig verdutzten Janet Jackson ein Stückchen Kleidung bei der Performance zu viel ab und für sage und schreibe 0,5 Sekunden war Janet Jacksons Nippel entblößt. Und bei den Einschaltquoten des Super Bowls kann man sich sicher sein, dass viele Menschen auf der ganzen Welt Live dabei waren. Bis Heute wurde nicht aufgeklärt, ob es sich hier tatsächlich um einen Patzer handelte oder bloße Absicht. Während Europa Janets halb bedeckten Nippel belächelte, löste dies bei allen besorgten Eltern in den Staaten einen Skandal aus, der sich gewaschen hatte.



Der sogenannte "Nipplegate Skandal" hatte Folgen, nicht nur für CBS und andere TV-Sender, auch in der Filmwelt hatte sich etwas getan. Hat die MPAA Filmemachern das Leben bereits vor dieser Geschichte nicht leicht gemacht, hat dies die Sache noch einmal verschärft. War in den USA das PG-13 Rating vorher als leichtes R-Rating bekannt, wurden die Auflagen so sehr verschärft, dass Moderne PG-13 Filme von den grafischen Inhalten her nicht einmal mehr an PG Filmen aus den 80ern heranreichen. Absurde Schnittauflagen und Anforderungen werden an die Studios gestellt. Besonders Nacktheit ist in den Fokus der MPAA geraten. So wurde der in Deutschland ab 16 freigegebene, französische Spielfilm "Blau ist eine warme Farbe" mit dem härtesten Rating in den USA abgestraft, NC-17. Somit ist der Film nicht für Minderjährige zugänglich, nicht einmal in Begleitung eines Erwachsenen.

Es gibt natürlich keine handfesten Beweise dafür, dass Nipplegate für die scharfen Anforderungen der MPAA verantwortlich gemacht werden kann. Man muss aber auch kein Genie sein, um das Puzzle zusammenzusetzen. Das Rating an sich ist jedoch nicht einmal der Übeltäter. Das Problem ist eher, wie lukrativ diese Freigabe für Studios geworden ist. Man machte sich den Trend zunutze und es wurden nicht nur zahlreiche Kinofilme für die Freigabe im Vorfeld geschnitten oder zensiert, nein, auch bekannte Franchise wie "Stirb Langsam" oder "Terminator" mussten für die Teenager-Freigabe herhalten. Meistens erscheint für das Heimkino im Anschluss eine sogenannte "Unrated Version", in der die Zensuren wieder eingefügt werden sollen. Aber auch das ist meistens nur Marketing der Studios, denn größtenteils sind diese sogenannten "Unrated Versionen" Mogelpackungen. Häufig wird lediglich per CGI ein wenig Blut nachgereicht. Das Problem bildet sich bereits bei der Produktion, denn meistens verzichtet man da bereits auf grafische Effekte, so das fürs Heimkino meistens gar kein derartiges expliziertes Material existiert. Der im Kino stark gefloppte, mit einer PG-13 Freigabe ausgestattete dritte Ableger der Expendables ist so eine Heimkino-Mogelpackung. Denn bis auf lahme CGI Effekte und einige erweiterte Kameraeinstellungen, die lieblos hinzugefügt wurden, hat sich nichts an der Tatsache geändert, dass es sich hier um einen Film handelt, der ausschließlich für Jugendliche konzipiert wurde. Doch zum Thema Expendables will ich in einem späteren Abschnitt näher eingehen. Unter den vielen Unrated oder Extended Editionen gibt es aber auch Filme, wo grafische Effekte sinnvoll wieder in den Film eingefügt wurden. Als Beispiel dient hier Peter Jacksons Extended Editionen zum "Herr der Ringe". Auch "The Wolverine" hat seine Härte zurückerhalten, die für die Kinoauswertung entfernt werden musste. Überraschenderweise hat der Film selbst in dieser Fassung noch die FSK-12 Einstufung bei uns erhalten.

Mittlerweile müssen auch gestandene Regie-Ikonen wie Ridley Scott der Freigabe nachgeben, die sich mit allen Mitteln davon fernhalten wollten. Bereits Scotts "Königreich der Himmel" wurde für die Kinoauswertung massiv verstümmelt, so das teilweise der Sinngehalt des Filmes verloren gegangen ist. Erst der anschließende Director's Cut konnte diese Fehler beheben. Scotts aktuelles Bibel-Epos "Exodus" läuft im Augenblick mit einer PG-13 Freigabe in den amerikanischen Kinos. Kritik der Freigabe gegenüber gabs häufig, sogar von gestandenen Filmemachern. Wie auch Zack Snyder, Regisseur des "Dawn of the Dead Remakes", "300" und "Watchmen" (allesamt R-Rated Vertreter). Snyder bezeichnete die Freigabe als gefährlich. Besonders gefährlich für die Kids, so Snyder. Eine Anspielung auf die Verharmlosungen und Andeutungen in den besagten Filmen. Andeutungen, aber keine Ausführungen. Snyder war verwirrt und hielt nicht viel davon, dass ursprünglich für Erwachsene konzipierte Filme aufgrund der lukrativen Altersfreigabe für Teenager umgebaut werden. Aber auch Snyder konnte bekehrt werden. Sein für ein R-Rating konzipierter Fantasy-Film "Sucker Punch" musste in der Kinofassung einiges federn lassen, so das Snyders Film zu dem wurde, was er doch so sehr kritisierte. Dabei ist Sucker Punch selbst in seinem Director's Cut nicht einmal brutal, er ergibt in dieser Fassung lediglich einen Sinn (wenn auch weiterhin Spielraum für Interpretationen bleiben) weil all die absurden Schnitte aus der Kinofassung wieder eingefügt wurden. Laut Zack Snyder sei dies wohl seine Wunschfassung, auch wenn man ihm dies nicht so ganz abkaufen kann nach der Vorgeschichte des Films.

Gewalt darf in einem PG-13 Film nach aktuellen Maßstäben lediglich angedeutet werden. Die Ausführung ist eine andere Sache. Es dürfen Körperteile abgetrennt werden, aber dabei darf kein Blut gezeigt werden, noch dürfen die Wunden zu sehen sein. Das gleiche gilt für die Ausführung. Der Todesstoß wird dem PG-13 Publikum entweder vorenthalten, oder durch eine geschickte Einstellung der Kamera perfekt verdeckt. So darf in "47 Ronin" (ebenfalls PG-13) mit Keanu Reeves ein abgetrennter Kopf in die Kamera gehalten werden, dieser muss aber so makellos aussehen, als wäre er in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett entstanden. Grafische Elemente wie Blut oder das übliche Gekröse, was man an einem abgetrennten Kopf so findet, hätte die Alarmglocken schrillen lassen bei der MPAA. Dies ist die Verharmlosung von der Snyder gesprochen hat und mit der Teenager konfrontiert werden. Meistens aber sind die Zensuren noch sehr viel schlimmer wenn es sich um einen Film mit einem realen Setting handelt. 47 Ronin ist ein Fantasyfilm, und für diese sind die Auflagen nicht ganz so drastisch. In der 300 Fortsetzung "Rise of an Empire" (R-Rated) sieht man eine ähnliche Enthauptung wie bei 47 Ronin. Und hier macht sich die höhere Freigabe bemerkbar, denn all die pikanten Details die man bei 47 Ronin in der beinahe exakt gleichen Szene vermisst, findet man bei Rise of an Empire wieder.

Nun komme ich aber endlich zu dem Punkt, auf den ich mich am meisten gefreut habe. "The Expendables 3". Sylvester Stallone wollte mit den Expendables ein 80er Jahre Action-Revival feiern. Dies ist ihm mit den ersten beiden Teilen auch halbwegs gelungen. Zieht man die hässlich generierten Computereffekte nicht ins Fazit mit ein (darunter das furchtbare CGI-Blut), hat man zwei solide Actionfilme mit alten Action-Helden, plumper Story, vielen trashigen One-Linern und gelungener Ballereien. Stallone betonte, dass er diese Filme für jenes Publikum macht, die ihn bereits in den 80ern auf der Leinwand verfolgt haben. Ein harter Actionfilm ohne Verharmlosungen also. Was zweimal relativ gut funktionierte, musste für Teil 3 geändert werden. Sly hat seine Regel gebrochen und sich bei The Expendables 3 auf eine PG-13 Freigabe eingelassen. Angeblich nicht aus finanziellen Hintergründen, sondern weil er einem jüngeren Publikum diese Filme gerne näherbringen wollte. Selbstverständlich wird Geld hier eine wichtige Rolle gespielt haben. Vermutlich eine Mischung aus allem, aber ganz besonders wollte man mit dieser Freigabe am Box Office viel Kohle einspielen. Diese Entscheidung sollte sich jedoch rächen. The Expendables floppte an den amerikanischen Kinokassen und spielte in 3 Tagen gerade mal etwas über 15 Millionen Dollar ein. Die eigentliche Zielgruppe ist dem Film von vornherein ferngeblieben, da sie bereits vorher die niedrige Altersfreigabe fürchteten, die angepeilte neue Zielgruppe interessierte sich nicht für alternde Ex-Actionhelden und schaut sich lieber Filme wie "The Avengers" oder "Catching Fire" an. Somit waren selbst Jennifer Lawrence schlüpfrige Fotos, die in diesem Jahr ebenfalls aufgetaucht sind, ein größeres Gesprächsthema als Stallones Expendables. Sly versprach eine wesentlich härtere Fassung für den Heimkino Markt, diese entblößt sich nun aber, wie Schnittberichte.com nun aufdeckte, als absoluter Reinfall.  Die FSK vergab für die Kinofassung bereits eine Freigabe ab 16, aus vielleicht nostalgischen Gründen erhielt die ungeschnittene Version fürs Heimkino das "Keine Jugendfreigabe" Symbol. Getreu dem Motto, wenn die ersten beiden schon ab 18 sind, kann der dritte sich da gerne einreihen. Sylvester Stallone gab nun in einem Statement bekannt, dass er die Entscheidung mit dem PG-13 Rating zutiefst bereut. Teil 4 soll dann wieder für die alten Hasen sein, so Stallone. Die Frage ist nur, ob die alten Hasen nicht längst eine wesentlich bessere Alternative aus Indonesien gefunden haben (worauf ich im nächsten Part noch einmal etwas genauer eingehen möchte).


Resümee

Man darf mich nicht falsch verstehen. Ich verlange nicht nach Gewalt in Filmen. Aber wiederum schaut sich auch keiner die Expendables an weil er Stallones Botox-Gesicht anschmachten möchte. In einem Actionfilm muss geballert werden. Und wenn eine Person von Kugeln durchlöchert wird, fließt nun mal Blut. Das wollen Stallones "Alte Hasen" sehen. 
Das macht die PG-13 Freigabe per se natürlich nicht unnütz. Für viele Blockbuster ist diese Freigabe ausreichend. Als Beispiel dürfte hier tatsächlich mal Transformers passen. Aber auch Peter Jacksons "Hobbit" braucht keine höhere Freigabe. Doch das wohl beste Beispiel, wie man einen Big Budget Blockbuster selbst mit einem PG-13 attraktiv gestalten kann, beweist immer wieder aufs neue Christopher Nolan (man möge ihm "The Dark Knight Rises" verzeihen). trotz bevorzugter Freigabe weiß Nolan perfekt mit ihr umzugehen. Seine Filme, wie nun auch sein neustes Werk "Interstellar", sind trotz PG-13 Freigabe für ein reiferes Publikum konzipiert. Das könnte eines der Geheimnisse für seinen Erfolg sein. Doch stellt euch nun man Tarantinos kommenden Western "The Hateful Eight" mit einer PG-13 Freigabe vor. So arrogant der große Zampano auch geworden sein mag, dem Studio zuliebe einen Film für Teenager drehen, soweit würde nicht einmal er gehen.

Gibt es Hoffnung?

Als ich 1995 in den in Deutschland ab 16 freigegeben "Mortal Kombat" (PG-13 in den USA) nicht ins Kino gekommen bin, weil man einen 8 jährigen schon damals nicht in solche Filme gelassen hat, musste ich dies akzeptieren. Diese Vorgabe existiert Heute nicht mehr. Während die Teenager damals draußen bleiben musste und das R-Rated Kino Hollywood dominierte, werden seit nun knapp 10 Jahren Filme beinahe ausschließlich für Teenager produziert. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dieser Trend bald ein Ende finden wird. Der kommende "Terminator Genisys" und "Mad Max: Fury Road" wurden längst für eine PG-13 Freigabe bestätigt (mein aktueller Stand der Dinge). Die Frage gilt hier nicht dem Sinn der Altersfreigabe, die, wie bereis geschrieben, ihre Daseinsberechtigung hat. Die Frage ist eher, wird sich die angepeilte Zielgruppe Filme wie Terminator oder Mad Max ansehen, während Jennifer Lawrence oder Liam Hemsworth vermutlich wieder in neuen Filmen zu sehen sein werden? Wird diese Zielgruppe einen alternden Arnold Schwarzenegger als Terminator interessieren, oder einen Tom Hardy als Mad Max? Ich bezweifle es.
Gewisse Filme haben bei solch einer Zielgruppe, egal wie niedrig die Altersfreigabe angesetzt ist, nichts zu suchen.





Aber es gibt durchaus Hoffnung. Das 2013 Remake zu "The Evil Dead" ist nur knapp dem NC-17 Rating entkommen. In Deutschland steht die unzensierte Version unlängst auf dem Index. Fede Alvarez Neuinterpretation enthält schonungslosen, handgemachten Splatter. Eine mutige Entscheidung, da besonders viele Remakes alter Horror-Slasher in den letzten Jahren zu PG-13 Filmen umgebaut wurden.

Neue Maßstäbe in Sachen Action und Härte bewies zuletzt der indonesische Film "The Raid: Redemption" vom walisischen Regisseur Gareth Evans, der damit nicht nur eine Liebeserklärung ans alte Hong Kong Kino ablieferte, sondern auch einen nahezu perfekt choreografierten Actionfilm zustande bekommen hat. Dies brachte Evans so viel weltweite Reputation ein, dass er mit der Fortetzung "The Raid 2: Berendal", eine noch viel rasantere, kostspieligere Fortsetzung erschaffen konnte. Während Stallones Expendables dieses Jahr gnadenlos baden gegangen sind, haben sich seine Fans dem indonesischem Kino gewidmet und feierten The Raid 2 dermaßen ab, dass dieses Echo vermutlich bis in die Filmstudios Hollywoods zu hören war. Und anscheinend hallte dieses auch schon vorher, denn ein US-Remake zu The Raid wurde bereis angedroht angekündigt.

Auch in unserer heutigen Zeit gibt es noch Alternativen für die Fans der härteren Gangart (ganz besonders der in Deutschland mittlerweile bundesweit beschlagnahmte und mit Rutger Hauer in der Hauptrolle "Hobo With a Shotgun" zum Beispiel). Während sich das amerikanische Kino durch absurde Auflagen der MPAA kaum noch aufs Filmemachen konzentrieren kann, hat der europäische oder asiatische Markt wesentlich mehr zu bieten. 
Ein weiterer interessanter Fakt dürfte auch sein, dass die meisten Filme, die den Oscar für den besten Film erhalten haben (gemessen an den letzten 20 Jahren), eine R-Rated Freigabe aufwiesen/aufweisen.
PG-13 wird auch weiterhin ein kontroverses Thema bleiben. Große Kinoproduktionen werden auch nach wie vor auf die Altersfreigabe setzen und zugunsten der Einnahmen schneiden, zensieren und verharmlosen. Es gibt Regisseure, die mehr Freiheiten haben und wie Christopher Nolan PG-13 auf ihre eigene art und weise interpretieren. Dies sind aber die Ausnahmen und man kann auch davon ausgehen, dass wir in Zukunft nicht von sinnlosen Unrated Editionen verschont bleiben werden.


Zum Abschluss möchte ich mich mit einem Video verabschieden, welches praktisch all meine Gedanken aus diesem Auswurf Einwurf noch einmal vertont und bebildert wiedergibt. Der YouTube User GoodBadFlicks veröffentlichte anlässlich des Themas im September dieses Jahres ein Video, welches mich erst einmal auf die Idee brachte, diese Debatte ausführlicher zu besprechen.
Wer rund 20 Minuten seiner Zeit entbehren kann, Englisch versteht und Filmliebhaber ist, der wird hier auf einige interessante Fakten stoßen.

In diesem Sinne möchte ich mich mit dem letzten Einwurf in diesem Jahr verabschieden. Ich hoffe, ich kann den Dezember noch für einige Rezensionen nutzen, die ich gerne nachreichen würde.

Viel Spaß mit dem Video und besinnliche Weihnachten,
Euer Aufziehvogel


What Happened to PG-13?


Montag, 8. Dezember 2014

Review: Persona 3 The Movie - Spring of Birth




Trailer




Japan 2013

Persona 3 The Movie: No 1, Spring of Birth
Originaltitel: 劇場版「ペルソナ3」第1章
Basierend auf dem Videospiel von Atlus
Regie: Noriaki Akitaya
Musik: Shoji Meguro, Satoki Iida
Sprecher: Akira Ishida, Megumi Toyoguchi, Kosuke Toriumi, Rie Tanaka, Hikaru Midorikawa
Lauflänge: Circa 91 Minuten
Genre: Anime, Fantasy, Drama, Comedy, Msytery
FSK: Noch nicht geprüft


Die Rollenspiel-Serie Persona hat sich spätestens seit ihrem vierten Ableger auch bei uns im Westen etabliert. Basieren tut dieses unglaublich erfolgreiche japanische Rollenspiel auf einer Hauptserie, "Megami Tensei (1987)". Es scheint aber das der Ableger dem Original allmählich den Rang abläuft und Entwickler Atlus verzichtet bei neueren Persona Ablegern mittlerweile auf den Shin Megami Tensei Zusatz. Nach dem Erfolg von Persona 3 und Persona 4 für die Playstation 2 und Persona 4 Golden auf der Playstation 4 wurde die Reihe zu einem profitablen Multimedia Franchise. Entstanden daraus sind Merchandise, Bücher, Soundtracks, Manga und mehrere Anime TV-Serien. Laut Atlus will man mit den verschiedenen Ablegern das Franchise weltweit nicht nur etablieren, sondern auch die Wartezeit auf das kommende, von Fans lang ersehnte Persona 5 (Playstation 3, Playstation 4) verkürzen, welches 2015 endlich erscheinen soll.

Die Beliebtheit der Serie dürfte unter anderem an den Thematiken liegen, die in einem Modernen Japan spielen und sich mit alltäglichen Problemen der Gesellschaft auseinandersetzen (vorzugsweise die Probleme von Teenagern). Persona 3 beispielsweise setzte sich mit Themen wie Depressionen, Isolation und Komplexen auseinander. Bereits 2008 kreierte Aniplex eine 26 teilige TV-Serie, die als unabhängiges Sequel zu Persona 3 diente. Aufgrund der befremdlichen Charaktere und dem fehlendem Charme, der die Videospiel ausmacht, geriet Persona: Trinity Soul schnell in Vergessenheit.

2013 wurde dann nach der relativ erfolgreichen Animation zu Persona 4 eine dreiteilige Filmreihe zu Persona 3 angekündigt, die zwischen 2013 und 2015 in den japanischen Kinos präsentiert wird. Der erste Teil hat mittlerweile die japanischen Heimkinos erreicht und dank der gängigen Medien findet diese auch ihren Weg in westliche Wohnzimmer.



Als Vorlage für die Kinofilme diente das Videospiel und man orientierte sich auch relativ stark an diesem.
Anders als im Videospiel ist der Protagonist (der lediglich den Spieler wiederspiegeln sollte) kein schweigsamer Zeitgenosse mehr. Ein stummer Protagonist wäre für einen Film auch wahrlich nicht von Vorteil. Dennoch hat man sich überlegt, ihn auch nicht zu häufig zu Wort kommen zu lassen, was eine gute Entscheidung war. Ähnlich hat man dies bereits in der TV-Serie zu Persona 4 gehandhabt. Die Story handelt von dem Studenten Makoto Yuuki, der seit dem Unfalltod seiner Eltern unter Depressionen leidet. Noch bevor er an seinem neuen Studentenwohnheim spät in der Nacht ankommt, passieren seltsame Dinge. Die Atmosphäre seiner Umgebung scheint sich verändert zu haben und überall liegen unheimliche Särge auf dem Weg verteilt. Als Makoto in dem Studentenwohnheim ankommt empfängt ihn ein seltsamer Junge, der ihn dazu auffordert, einen Vertrag zu unterschreiben. Als die Welt kurz darauf wieder in normale Fugen gerät, empfangen ihn bereits seine neuen Mitbewohner. Schon bald nehmen die surrealen Ereignisse ihren Lauf und Makoto erfährt etwas von einer sogenannten "Dark Hour". Mit dieser hat ein Tag nicht die bekannten 24 Stunden, sondern 25 Stunden. In dieser Dark Hour verändert sich die Welt rund um Makoto und seine Mitstreiter. Als Makotos Persona erwacht, erfährt er schnell das die Welt in größter Gefahr ist und nur auserwählte Menschen sich in der Dark Hour aufhalten können.

Klingt nach viel "Generischer Held rettet den Planeten" Klischee. Aber die oberflächlich klingende Geschichte entwickelt sich schnell in völlig andere Richtungen. So befasst man sich mit den sozialen Problemen der Charaktere in der realen Welt und ihren Erkundungen in dem Tartarus, einem riesigen Turm der in einer alternativen Zeitzone zu liegen scheint. Der Mix aus Drama, Comedy und Mystery wurde gut von Regisseur Noriaki Akitaya und seinem Team eingefangen. Dabei ist es aber unmöglich die rund 50 (oder gar mehr) Spielstunden aus dem Videospiel originalgetreu umzusetzen. Aus diesem Grund, und auch die Lauflänge von nicht einmal 100 Minuten, ließen Zweifel bei den Kennern aufkommen, weil fehlender Inhalt bereits Probleme der Persona 4 TV-Serie waren. Beim ersten Persona 3 Film, Spring of Birth, hat man einen guten Mix aus Inhalt und Action gefunden. Man muss sich als Fan des Videospiels nur darauf einlassen können, dass gewisse Szenarien fehlen. Dies fällt aber bei dieser Adaption weniger auf, schon gar nicht für Leute, die sich mit der Originalvorlage noch nie befasst haben.



Für die Charaktere hat man professionelle Sprecher wie u.a. Megumi Toyoguchi (Black Lagoon) und Akira Ishida (Evangelion) engagiert. Das ist selbstverständlich hohe Qualität, und zufällig auch die gleiche Besatzung die auch schon im Videospiel vertreten war. Die Animationen befinden sich auf absolut hohem HD Niveau. Der Stil passt sich  komplett dem des Videospiels und seinen Anime-Sequenzen an. Der Soundtrack basiert auf dem Original-Score von Serien Veteran Shoji Meguro und bietet neben zahlreichen bekannten Stücken auch viele gelungene Remixe oder Extended Aufnahmen.


Resümee

Spring of Birth ist, trotz umfangreicher Vorlage, mit seiner relativ kurzen Lauflänge ein mehr als gelungener Auftakt in die Persona 3 Trilogie. Zwar folgt die Geschichte exakt dem Videospiel, diese wurde aber dafür so authentisch wie möglich umgesetzt. Zwar bleiben manche Charaktere und ihre Entwicklung etwas auf der Strecke, aber dennoch bekommt man einen unterhaltsamen wie kurzweiligen Film geboten, der sehr gut die Atmosphäre seiner Vorlage eingefangen hat. Die Geschichte rund um die SEES wirkt anfänglich vielleicht etwas konfus und verworren, dies legt sich aber je weiter der Film vorankommt. Es bleibt mehr als genug Stoff für zwei weitere Fortsetzungen, und dementsprechend freue ich mich auch auf diese. Spring of Birth  ist mehr als eine Vorlage die lediglich dazu dient, das Persona Franchise zu promoten. Eine gewisse Liebe zum Detail ist eindeutig zu erkennen und durch den gelungenen Soundtrack wird man schnell in den Bann von Persona 3 gezogen. Insgesamt ist die Welt von Persona 3 wesentlich düsterer und pessimistischer als die der beinahe schon farbenfrohen aus der unabhängigen Fortsetzung von Persona 4. Somit stehen beide Werke in einem engen Kontrast zueinander.

Für Fans von ernsteren Anime-Filmen, der seinen Fokus nicht auf vorpubertären Humor oder penetranten Fanservice legt, ist Spring of Birth eine mehr als gelungene Empfehlung. Dieser Auftakt war auch für mich eine Überraschung.


Eine deutsche Lizenzierung gibt es nach meinem Wissen bisher noch nicht.

Die Persona 3 Trilogie im Überblick:

No 1, Spring of Birth (2013)
No 2, Midsummer Knigh'ts Dream (2014)
No 3, Falling Down (2015)

Donnerstag, 27. November 2014

Rezension: Die Geschichte vom Prinzen Genji





Damit keine Verwirrung aufkommt, hier eine kleine Anmerkung: In der Rezension wechsle ich häufig zwischen dem deutschen Titel „Die Geschichte vom Prinzen Genji“ und dem Originaltitel „Genji Monogatari“. Selbstverständlich handelt es sich hier um das gleiche Buch ;)


Japan Circa 1021

Die Geschichte vom Prinzen Genji
Autorin: Murasaki Shikibu
Originaltitel: Genji Monogatari
Erscheinungsjahr: Wiederveröffentlichung beim Manesse Verlag, 06. Oktober 2014
Übersetzung und Vorwort: Oscar Benl
Genre: Psychologischer Roman, Drama, Romantik


"Er trug sie auf den Armen sanft und leise über die Schwelle und verschloß die Innentür. In ihrer Bestürzung über sein unerhörtes Tun wirkte sie unbeschreiblich lieb und betörend.
<<Hier sind doch Dinerinnen!>>, mahnte sie zitternd, aber er erwiderte:
<<Ich darf hier überall sein. Es nützt nichts, wenn ihr Leute herbeiruft! Seid ganz still.>>
Jetzt erkannte sie an seiner Stimme, daß es Genji war, und dies beruhigte sie etwas. Sie fühlte sich noch immer tief verwirrt, doch schon entschlossen, sich nicht allzu herzlos und trotzig zu erweisen. Genji war vom Wein berauscht und hätte es zu schade gefunden, sie gleich wieder fortzulassen. Außerdem war sie jung und sanft und verstand es nicht, sich viel zu sträuben."
(Die Geschichte vom Prinzen Genji, Murasaki Shikibu in einer Übersetzung von Oscar Benl, Manesse Verlag)


Mit Dinosauriern hatte ich es auf meinem Blog bisher noch nicht zu tun. Schon gar nicht mit einer Autorin, die seit über 1000 Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilt und von der es als Portraits lediglich Zeichnungen und Malereien gibt. Nichtsdestotrotz hatte ich es in den vergangenen zwei Monaten mit dem wohl bedeutendsten, wie auch bekanntesten Werk der japanischen Literatur zu tun. In 54 Kapiteln, aufgeteilt auf beinahe 2000 Seiten erzählt die Hofdame Murasaki Shikibu die Geschichte vom Prinzen Genji, besser bekannt als Genji Monogatari. Lange in seiner ungekürzten Originalfassung vergriffen, legte der Manesse Verlag die deutsche Übersetzung von Oscar Benl in diesem Jahr neu auf und kann sich zurecht damit brüsken, die einzige ungekürzte und originalgetreuste Übersetzung des Epos in Deutschland zu sein.

Unterteilt ist die Geschichte in mehrere Abschnitte. So beginnt Genji Monogatari bei der Geburt des Protagonisten und begleitet ihn bis zu seinem Tode und darüber hinaus. Schon von Geburt an hatte das Leben des kleinen Genji etwas verbotenes. Entstand er aus der Romanze zwischen dem Kaiser und einer Hofdame von einem eher niedrigem Range. Dem Kaiser war sie aber am liebsten und trotz der Missgunst seiner anderen Frauen verspürte er eine Sehnsucht nach dieser einen Hofdame, die er so sehr verehrte. Doch sie war schwach und kränklich und verstirbt kurz nach Genjis Geburt. Am Boden zerstört möchte sein Vater das Kind zu sich nehmen, da es allerdings nicht sein Erstgeborener Sohn ist und aus einem komplizierten Verhältnis stammt, ist es nicht so einfach, den Jungen zu sich zu holen. Die Jahre vergehen und Genji wächst zu einem stattlichen jungen Mann heran und ist gleichzeitig beliebt am Hofe und bei den Frauen. Die Liebe lernt der junge Prinz schnell kennen, doch genau so schnell auch den Schmerz der damit verbunden sein kann. Dieser treibt ihn sogar bis ins Exil. Für Genji beginnt eine psychologische Reise durch das Japan der Heian-Zeit.

In einer Besprechung ist es beinahe unmöglich diesen extrem umfangreichen und komplexen Roman zusammenzufassen, und eine informative Inhaltsangabe zu kreieren. Allerdings habe ich es mir auch nicht vorgenommen, dieses gigantische Werk zu analysieren, da gibt es nämlich nicht nur kompetentere Leute als mich im Netz, sondern auch richtige Profis. Dennoch möchte ich, so gut es geht, den Lesern meines Blogs dieses Werk so nahe wie möglich bringen.
Was auf den ersten Blick klingt wie eine klassische Liebesgeschichte mit Kitsch und Liebesschmerz, der wird schnell eines besseren belehrt. Schon auf den ersten Seite beschreibt die Hofdame Shikibu sehr melancholisch die Trauer und die Gefühle ihrer Charaktere. Die als relativ friedlich bekannte Heian-Zeit (Japan 794-1192) spiegelt das relativ offene Verhältnis am Hofe gut wieder. Der Kaiser wird nicht als machtgieriger Herrscher beschrieben der seine Untertanen schikaniert. Im Gegenteil. So stellt ihn die Autorin als eine eher zerbrechliche, ja sogar mitfühlende Person dar. Auf eine feine art beschreibt Murasaki Shikibu im Prolog die bezaubernde Szenerie und versetzt viele Abschnitte mit kleinen Gedichten, die alle einen tieferen Sinn haben:

<<Nimmer endend,
wie der Grillen Stimmen bis zur Erschöpfung klagen,
fließen in dieser Herbsnacht mir, ach, die Tränen herab.>>

<<Auf das Schilfgras,
das die Klage unzähliger Insekten erfüllt,
fällt noch, Botin des Himmels, der Tau eurer Tränen herab!>>

Genji Monogatari, 1. Kapitel - Kiritsubo



Lesen sich altertümliche Werke wie Homers Odyssee oder Vergils Aeneis schwer verständlich und auch ein wenig kratzig, so gleitet, um es mal zu vergleichen, die Geschichte vom Prinzen Genji förmlich über Wolken. Die Mischung aus Prosa und kleinen Gedichten machten Murasaki Shikibus Werk Seinerzeit einzigartig. Auch wenn die Behauptung bis Heute umstritten ist, so gilt „Die Geschichte vom Prinzen Genji“ bei vielen Experten als erster Roman der Weltliteratur.


Die Genji Monogatari genießt bis Heute in Japan noch ein hohes Ansehen. Ob Theaterstücke, Manga oder sogar eine groß angelegte Kinoproduktion. Aber auch in westlichen Gefilden wurde Murasaki Shikibus Roman schnell ein Klassiker. Zum einen könnte das daran liegen, dass man einen schnellen Zugang zu den Charakteren findet. Natürlich sind die vielen Namen und Begriffe erstmal eine Herausforderung. Aber dank der wunderschönen Übersetzung des leider mittlerweile verstorbenen Japanologen Oscar Benl (der übrigens, ebenfalls im Buch enthalten, ein höchst informatives Vorwort gehalten hat) verliert man nie den Faden. Fußnoten hat der Übersetzer ebenfalls gesetzt, benutzt sie aber nur bei wirklich sehr unbekannten Begriffen. Der Leser wird also nicht durch ständige Erklärungen aus der Geschichte geworfen und kann die mystische Welt des alten Japans ganz für sich erkunden. Selbstverständlich muss man besonders bei einem solch alten Werk bedenken, dass eine absolut originalgetreue Übersetzung wohl kaum möglich ist. Die komplizierte Handschrift zu entziffern war auch lange in Japan selbst ein Problem und das Werk wurde erst zugänglicher als die japanische Autorin und Frauenrechtlerin Akiko Yosano die Genji Monogatari in die Moderne japanische Sprache adaptiert hat.

Ist die Geschichte nicht schon umfangreich genug und lädt zu Interpretationen ein, so besteht seit Ewigkeiten bereits die Debatte, ob die Hofdame Shikibu die alleinige Autorin des Genji Monogatari ist. So gehen viele Meinungen umher, dass die Autorin selbst nur eine bereits begonnene Geschichte fortgeführt hat. Da das Leben von Murasaki Shikibu irgendwann nicht mehr dokumentiert wurde, oder jene Dokumente nicht mehr aufzufinden sind, gibt es keine sicheren Beweise das sie tatsächlich auch den kompletten Roman alleine verfasst hat. So ging besonders Akiko Yosano davon aus, dass die Kapitel 35-54 von Murasaki Shikibus Tochter Daini no Sanmi fortgeführt wurden. Ebenfalls ist es bis Heute ungeklärt ob das relativ offene Ende der Geschichte so beabsichtigt war, oder eine Fortsetzung geplant war die noch weit über den Tod des Protagonisten hinaus weitererzählt werden sollte. Obwohl es bestimmt spannend wäre, all diese Fragen zu klären, bin ich sehr froh darüber das diese Mysterien bisher noch nicht aufgeklärt wurden.


Informationen zur deutschen Ausgabe:

Wer mehr über die fantastische Ausgabe vom Manesse Verlag erfahren will, der klickt bitte hier: Am Meer ist es wärmer: Präsentation zu „Die Geschichte vom Prinzen Genji“

Die komplett ungekürzte deutsche Ausgabe von Manesse ist als  zweibändige Hardcover-Ausgabe im japanischen Leinen Design in einem stabilen Pappschuber erschienen. Das Design des Pappschubers basiert übrigens, falls es nicht sofort ins Auge fällt, auf eine der Original Schriftrollen aus dem Zwölften Jahrhundert.


Resümee

Ein wenig Zeit, und, noch viel wichtiger, eine gewisse Leidenschaft zur japanischen Kultur sollte man mitbringen, bevor man sich dieses große Werk der Weltliteratur vornimmt. Die tragische Geschichte vom Prinzen Genji überzeugt, trotz ihrer 1000 Jahre alten Vergangenheit, durch intensiv ausgebaute Charaktere, einer malerischen Fantasie und viel Liebe zum Detail. Zwei dieser Eigenschaften braucht man zwar auch um einen Kuchen zu backen, in diesem Falle gilt dieses Rezept aber ausschließlich für die Literatur, die Murasaki Shikibu, eine Dame vom Hofe, hier abgeliefert hat.
Mit einer wirklich flüssigen und mit interessanten Bemerkungen versehenen Übersetzung wird es dem Leser nicht schwer fallen, sich relativ schnell in diesen Klassiker hineinzuleben.

Uns steht ein langer Winter bevor. Und an diesen kalten Abenden kann man es sich zusammen mit dem Prinzen Genji auf dem Sofa gemütlich machen. Am besten mit warmen Sake dazu und man fühlt sich ein wenig wie in dieser magischen Ära der Heian-Zeit.


Der Aufziehvogel dankt dem Manesse Verlag, der ihm diese schöne Reise ermöglicht hat.

Sonntag, 23. November 2014

DuMont bringt Murakamis Erstwerke nach Deutschland



Momentan scheint sich alles wie warme Brötchen zu verkaufen, wo der Name "Haruki Murakami" als Autor drauf verewigt ist. Erst zum Anfang des Monats nahm Murakami persönlich den Welt Literaturpreis entgegen und hielt im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin eine bewegende Dankrede. Bei magischer Atmosphäre resümierte er noch einmal ganz persönlich, wie er den Berliner Mauerfall seinerzeit miterlebt hat.

Der DuMont Verlag will den Namen Haruki Murakami auch weiterhin aktuell halten. So erschien bereits in diesem Monat eine Taschenbuch-Neuauflage zu Sputnik Sweetheart, die sich vom Design des Covers an neue Veröffentlichungen wie "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" oder "Von Männern, die keine Frauen haben" orientiert.

Vor einigen Stunden hat Friederike von Japanliteratur.net auf Facebook gepostet, dass der Kölner Verlag sich nun ganz still und heimlich Murakamis beiden Erstwerken, "Wenn der Wind singt / Pinball 1973" angenommen hat. Bereits vor einigen Wochen kündigte Murakamis US-Verlag Knopf an, dass eine neue Übersetzung der beinahe im Westen verloren geglaubten Romane in einer Neuübersetzung von Ted Goosen im kommendem Jahr erscheinen wird. Der DuMont Verlag zieht daraufhin mit und veröffentlicht, ebenfalls angelehnt an das Design der letzten Publikationen, im Mai 2015 (Termin gilt noch nicht als fest) beide Romane in einem Sammelband als Hardcover. Der Preis wird bei 19,99 Euro liegen und, auch wenn es dazu noch keine Informationen gibt, wird Ursula Gräfe vermutlich wieder die Übersetzung übernehmen.

"Wie der Wind singt" und "Pinball 1973" bilden zusammen mit "Wilde Schafsjagd" die Trilogie der Ratte. Murakami veröffentlichte diesen beiden Frühwerke zwischen 1979 und 1980. Der Autor verweigerte allerdings eine weltweite Lizenzierung, da er von seinem Debüt nicht sonderlich begeistert ist. Auf vielfachen Bitten der Fans konnte sich Murakami nun doch überreden lassen und einer Veröffentlichung in westlichen Gefilden steht nichts mehr im Wege.

Und, Herr Murakami, keine falsche Eitelkeit. Als ich "Wie der Wind singt" (aka "Hear the Wind Sing") in seiner alten englischen Übersetzung von Alfred Birnbaum im Jahr 2011 las, war ich sehr angetan. Rezension.

Wer also Haruki Murakamis Ich-Erzähler vermisst hat, 2015 wird es endlich ein Wiedersehen geben.

Dienstag, 4. November 2014

Einwurf: Japanische Literatur - Wiederholend, eintönig, deprimierend?

6 Autoren aus Japan, deren Werk in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde.
Oben von links nach rechts: Haruki Murakami, Banana Yoshimoto, Ryu Murakami
Unten von links nach rechts: Hiromi Kawakami, Kenzaburo Oe, Yoko Ogawa



Hinweis: In diesem Artikel möchte ich auch aufgrund des Verständnis und der sauberen Lesbarkeit nicht auf einzelne Werke der hier aufgelisteten Autoren eingehen. Eine Ausnahme bildet in diesem Falle der Roman "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki" von Haruki Murakami.


Der, wie jedes Jahr, hochfavorisierte Haruki Murakami ging auch in diesem Jahr leer aus als der Nobelpreis für Literatur an Patrick Modiano vergeben wurde. Den DuMont Verlag dürfte es dennoch versöhnlich stimmen, dass Murakamis neuste und im Oktober veröffentlichte Sammlung an Kurzgeschichten „Von Männern, die keine Frauen haben“ es in die Top 10 der Spiegel-Bestseller geschafft hat.

Für viele Literaturkritiker und (ganz besonders) Murakamis Anhängern ist es klar. Das bedeutende Werk des japanischen Autors, der in seinem Land gefeiert wird wie ein Popstar, aber für die Öffentlichkeit wahrscheinlich noch schwerer anzutreffen ist als der Tenno, kann nur noch mit dem Nobelpreis für Literatur geadelt werden. Für viele eine Notwendigkeit, für den Autor selbst eine Auszeichnung, die er gar nicht so gerne hätte, denn scherzend meinte er, sie wäre ein Anzeichen dafür, dass man allmählich alt wird. Das "Alt werden", ein Motiv, welches man in Murakamis Büchern immer wieder findet. Denn das ist etwas, wovor auch seine Protagonisten ein wenig bammel haben.
Die Mehrheit scheint auf Murakamis Seite zu sein. Es werden aber Stimmen lauter, Stimmen, die es besonders in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht so vermehrt gegeben zu haben scheint, bevor dieser neue Murakami-Boom entstanden ist, ein Boom, der wiederum entstanden zu sein scheint als 1Q84 veröffentlicht wurde. Was nicht heißt, dass nun alle Werke des Autors an 1Q84 gemessen werden, aber es sind viele neue Leser hinzugekommen, auch Leser, die von dem eigenwilligen Schriftsteller vorher noch nichts gehört haben. Der Aufstieg des Internets und ganz besonders die Popularität von Social Media haben natürlich ihr übriges getan. Diese Stimmen werfen Haruki Murakami vor, einfallslos, deprimierend und sexistisch zu sein. Doch ist das wirklich so? Wird der Autor einfach falsch interpretiert oder steckt da doch etwas hinter? Auch wird immer wieder etwas davon geschrieben, Murakami gehen die Ideen aus oder das sich sein Stil allmählich abnutzt. Aber was sagen die Murakami-Kenner dazu?


Fünf mal Murakami. Fünf mal der gleiche Eintopf? (Foto: Aufziehvogel)


Von Männern, die keine Frauen respektieren
Haruki Murakamis erschreckend sexistischer neuer Kurzgeschichtenband  (Quelle: Überschrift zur Rezension von „Männer, die keine Frauen haben“ auf Fixpoetry. Verfasser: Kristoffer Cornils)

Ich bin zufällig auf die Rezension von Fixpoetry gestoßen die mit einer schnippisch markanten Überschrift beginnt. Heutzutage wird mit dem Wort "Sexismus" und "Frauenfeindlich" relativ leichtfertig umgegangen. Der Rezensent hat sich dennoch zu der sehr prägnanten Überschrift entschieden. Im beinahe den selben Atemzug kritisiert dieser auch noch die japanische Literatur an sich. Während ich die erwähnte Rezension, die sogar relativ eintönig lediglich auf den Sexismus Part eingeht, selbstverständlich nicht weiter besprechen möchte (wer diese lesen möchte, der Link dazu ist in dem zitierten Abschnitt anwählbar), hat mich diese aber dennoch zum nachdenken angeregt und sogar dazu ermutigt, diesen Einwurf zu verfassen. Handelt es sich bei der japanischen Literatur tatsächlich um Blender, die ausschließlich stets immer und immer wieder die gleichen Thematiken behandeln und eigentlich nur für eine spezielle Leserschaft geeignet sind?

So einfach darf man es sich gewiss nicht machen. Das Thema rund um die japanische Literatur ist komplex und umfangreich. Das Motive wie Einsamkeit, Isolation und Sehnsüchte bei Autoren wie Murakami, Yoshimoto und Kawakami immer wieder ein Thema sind ist kein Geheimnis. Die besagten Autoren gehen relativ leichtfertig, so scheint es zumindest, mit Themen wie "Sex und Gewalt" um. Es werden vielleicht Grenzen durchstoßen, die man bei westlicher Literatur nur selten oder anders, logischer beschrieben, wiederfindet. Hat man sich mit der japanischen Literatur nur wenig bis gar nicht zuvor auseinandergesetzt, kann man schnell die Keule schwingen und die jeweiligen Werke relativ schnell in eine bestimmte Schublade stecken. Man muss diesen Motiven aber genauer auf den Grund gehen. Das, was die japanische Literatur ausmacht, ganz besonders für westliche Leser, sind die geheimnisvollen Aspekte. Oftmals sind die Geschichten surreal oder gar ein wenig verwirrend, noch häufiger spielen Traumsequenzen eine wichtige Rolle. Meistens werden nicht alle Fragen geklärt und schon gar nicht werden Antworten sanft auf einem Silbertablett serviert. Es ist gut möglich das es Leser gibt, die davon entweder verwirrt oder gar absolut planlos sind, wenn sie resümieren, was sie da gerade gelesen haben. Ist diese Literatur denn wirklich so schwer zugänglich? Oder anders gefragt, deprimiert sie ihre Leser sogar?

Ich habe natürlich leicht reden, denn ich befasse mich beinahe mein ganzes Leben bereits mit dem Land und seiner Kultur und bin seit einigen Jahren auch geübt was die japanische Literatur angeht. Aber was die Allgemeinheit angeht, so muss ich auch mal einen Blick über die persönlichen Interessen werfen. Und da wird es schwierig. Besonders im deutschsprachigen Raum herrscht momentan eine regelrechte Flaute was neue Veröffentlichungen aus Japan angeht. Die Übersetzungen sind teuer und die Erträge vermutlich gering was für viele Verlage ein größeres Wagnis darstellt. Finanziert werden einige Romane sogar mit Deutsch-Japanischen Förderungen für Literatur.
Der Heyne Verlag hat es sich da einfacher gemacht und Koji Suzukis Roman „Der Graben“ (erschienen im Frühjahr 2014) lediglich aus der bereits adaptieren englischen Ausgabe übersetzt. Das dies keine fachgerechte und originalgetreue Übersetzung ist dürfte natürlich auch klar sein.

In der Welt der Krimis feierte jedoch Keigo Higashinos „Verächtige Geliebte“ und „Heilige Mörderin“ einige Erfolge und beide Werke fanden Anklang unter deutschen Lesern. Obwohl Higashino im Krimi-Genre zuhause ist, folgt aber auch er der japanischen Erzählkunst. So steht das Verbrechen eher im Hintergrund, dafür befasst sich der Autor jedoch intensiv mit seinen Charakteren und geht auf die psychologischen Aspekte ein. Ein Aspekt, der Gang und Gebe in der japanischen Literatur ist.

Aber wie steht es denn nun um die Motive der japanischen Literatur? Banana Yoshmito schreibt oft über selbstbewusste Frauen die sich auf ihrem Lebenswerk verloren haben, Haruki Murakami über einsame Junggesellen, mysteriöse Frauen und Jazzbars während Ryu Murakami (beide Autoren sind nicht miteinander verwandt) eine Mischung aus anspruchsvoller Literatur und Horror anbietet, der auch nicht davor zurückschreckt, einige pikante Szenen äußerst detailliert zu beschreiben. Und wie steht es um Hiromi Kawakami und ihre melancholischen Protagonistinnen oder Yoko Ogawas surreale Geschichten? Oder Nobelpreisträger Kenzaburo Oe's düstere Romane und Erzählungen, die beinahe schon einer Dystopie gleichkommen? Alles weltbekannte Autoren, die stets auf ähnliche Stilmittel und Motive setzen. Sind sie einfallslos, überfordert oder können westliche Leser sich einfach nicht in diese Geschichten hineinversetzen? Das ist eine Frage, die ich hier nicht klären kann. Zumindest nicht oberflächlich. Was die Romane auf keinen Fall, ganz sicher, nicht sind; einfallslos und schon gar nicht sexistisch. Hier mögen einige westliche Leser zu sehr an Klischees kratzen weil die besprochenen Werke häufig unser gewohntes Denken umkrempeln. Die moderne japanische Literatur hat dabei so viel mehr zu bieten, wenn man sich nur auf sie einlassen würde. Aber dies ist leichter gesagt als getan.

Um letztendlich wieder auf Haruki Murakami zurückzukommen. War dieser in den 90ern besonders in Deutschland noch ein absoluter Geheimtipp, so trifft man neuerdings häufig Leute in den Bussen und Bahnen an, die einen seiner Romane während der Fahrt lesen. Meistens sind es die neuen Werke wie „Kafka am Strand“„1Q84“ oder aber sein neuster Roman „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“. Und ich selbst war es, der Murakami im Jahr 2008 mit „Kafka am Strand“ für sich entdeckte. Und ja, auch mir sind die wiederkehrenden Motive nicht verborgen geblieben. Aber was ist so schlimm daran, frage ich mich? Es ist ja nicht so, dass der Autor stets die gleiche Geschichte neu aufwärmt. Murakami Stilmittel sind eher etwas vertrautes, etwas gewohntes, etwas, was man gerne wiedersieht. Trotz all dieser Vertrautheit ist mir nach „Kafka am Strand“ etwas aufgefallen, was anders ist. Erstmals ist es mir beim Nachfolger „After Dark“ aufgefallen und spätestens dann bei dem umfangreichen Dreiteiler „1Q84“. In Murakamis Erzählstil hat sich etwas verändert. Darunter auch Motive, die mir erstmals sogar weniger gefallen. Im neuen Interview, welches „Die Welt“ mit Murakami führte, beschreibt der Autor den Stil seiner neuen Veröffentlichungen folgendermaßen:

Meine neuen Storys unterscheiden sich ziemlich von meinen früheren surrealistischen. Ihr Stil ist sehr realistisch. Das ist aber nur äußerlich. Der Geist der Geschichten ist trotzdem übernatürlich oder surreal.
Vielleicht werde ich einfach älter. Als ich jünger war, wollte ich wild und zerstörerisch sein. Heute möchte ich kultivierte Geschichten schreiben und sozusagen auf solidem Grund ein surreales Bauwerk errichten. Wie beim "Eigenständigen Organ". Das ist eine realistisch erzählte Geschichte, vom Anfang bis zum Ende. Aber sie erscheint mir zugleich sehr seltsam.  (Quelle: Die Welt: Haruki Murakami - Was in meinem Kopf vorgeht, ist ungewöhnlich)

Diese befremdliche Gefühl, welches ich erstmals in 1Q84 verspürte, spürte ich erneut in „Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki“. Und das ausgerechnet bei einer Murakami-Frau. Die Murakami-Frau, damaliger Auslöser bei vielen jungen Lesern nach einer geheimnisvollen Frau zu suchen, die es vermutlich gar nicht gibt, spielt in seinem neusten Roman eine relativ unbedeutende Rolle. Trotz allem ist Sara, die Protagonist, die Tsukuru Tazaki zu eben jener Pilgerreise überredet, weder sympathisch noch charmant. Das ein geheimnisvoller Nebel sie umgibt, dem will ich nicht widersprechen. Allerdings ist es ihre art und ihr Verhalten, die sie sehr von anderen Murakami-Frauen unterscheidet. Im aktuellen Interview redet Murakami darüber, dass es praktisch Sara war, die als Wegweiser fungierte, die Geschichte um den farblosen Bahnhofs-Architekt zu verfassen. Sara jedoch, die sich durchaus eine Beziehung mit Tsukuru vorstellen kann, ist sehr erpicht darauf, dass sich Tsukuru seiner unangenehmen Vergangenheit stellt. Im ersten Moment ist dies keine schlechte Eigenschaft, eine zielstrebige Frau, die Forderungen stellt bevor sie sich auf eine Beziehung einlässt. Auf der anderen Seite setzt diese ihn aber erheblich unter Druck und betrügt ihn vermutlich auch noch mit einem älteren Mann. Sämtliche Versuche, etwas aus Saras Vergangenheit herauszukitzeln scheitern bei Tsukuru jedoch und er bleibt völlig im Dunkeln über die Aktivitäten seiner Freundin.

Während ich mir über Murakamis weibliche Protagonistin Gedanken mache, machen sich viele Kritiker und Leser jedoch über weitaus oberflächlichere Aspekte in der japanischen Literatur Gedanken. Hier kommen aber die Denkweisen zweier völlig verschiedener Kulturen, die der Deutschen und die der Japaner, zusammen. Für mich (sowie für die Kenner der japanischen Literatur als natürlich auch die Japaner an sich) ist der eher leichte Umgang in Sachen Gewalt und Sex in einigen Romanen ein Stilmittel was dazu dient, die Story und die Handlungen der Charaktere weiter voranzutreiben. Viele Leser der westlichen Literatur könnten aber genau dieses Stilmittel als provozierend oder gar als maßlos überzogen ansehen. Schnell hantiert man auf einmal mit Vokabeln wie "gewaltverherrlichend" oder "sexistisch" (besonders gut kann man dies bei Amazon Rezensionen beobachten). Befasst man sich aber nur etwas länger mit den jeweiligen Werken oder aber sieht von der vielleicht etwas oberflächlichen Meinung mal ab, gibt auch die japanische Literatur jedem Leser eine faire Chance, sich in die etwas eigenwillige Welt jener Kultur einzufinden.

Natürlich bin ich ein begeisterter Leser der japanischen Literatur. Meine Meinung gegenüber den Kritikern war all die Zeit recht voreingenommen und ich versuchte immer wieder, für diese Literatur zu argumentieren. Nach reichlicher Überlegung bin ich aber zu dem Entschluss gekommen, dass diese Kritiker mit ihren Argumenten nicht unbedingt unrecht haben (natürlich kommt es immer noch auf die Qualität der Begründungen an). Die Jazzbars, die Melancholie, die Sehnsüchte, die Einsamkeit und auch der Surrealismus, all das gehört zur japanischen Literatur. Zum einen wird Literatur immer mit dem Gewissen verfasst, dass sie in ihrem Heimatland Anklang findet. Somit steckt auch die Philosophie und Denkweise der japanischen Kultur in jeder Geschichte. Ob eher traditionell wie bei Kenzaburo Oe, oder aber mit westlichen Einflüssen wie bei Haruki Murakami. Jede dieser Geschichten ist durch und durch japanisch, und genau so soll es auch sein. Die japanische Literatur wird auch daher weiterhin eher eine Nische in Deutschlands Buchhandlungen füllen, aber mit vielen interessanten Veröffentlichungen kann die exotische Literatur Jahr für Jahr neue Leser gewinnen. Ob es einem gefällt oder nicht, ob wiederholend, eintönig oder deprimierend, japanische Autoren polarisieren und werden dies auch weiterhin tun. Denn bei der japanischen Literatur gibt es vermutlich nur zwei Optionen für den Leser. Entweder man liest sie leidenschaftlich, oder geht nach einem kurzen Gastspiel wieder traditionelle Wege.


Cheers, euer Aufziehvogel