Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Freitag, 23. September 2011

1Live Klubbing mit Charlotte Roche und Michael Weins


Michael Weins Nummer 2.

Die Sendung 1Live Klubbing bietet Lesungen für Jedermann. Jeder Zuhörer von 1Live wird in den Genuss der Lesungen von Charlotte Roche und Michael Weins kommen. Dies sollte auch über dem Webradio möglich sein.

Beide Autoren lesen dabei aus ihren aktuellen Werken vor. Charlotte Roche liest aus Schoßgebete, Michael Weins aus Lazyboy.

Ich selbst habe die Sendung auf 1Live noch nie verfolgt. Dies wird sich am heutigen Freitag jedoch ändern.
Die Termine zu den Lesungen findet ihr auf meinem Blog und natürlich direkt auf der Homepage von 1Live Klubbing.


Michael Weins liest in 1LIVE Klubbing 
heute (Freitag, der 23 September 2011), von 23:00 bis 00:00 Uhr

Charlotte Roche liest bei 1LIVE Eine Nacht in Aachen 
Freitag, 7. Oktober von 21:00 bis 23:00 Uhr

Homepage: 1Live Klubbing


Euch allen noch eine angenehme Nacht.

Sonntag, 18. September 2011

Typewriting- Erase your Head: Event: Salvo|schreibt mit dem Aufziehvogel

Typewriting- Erase your Head: Event: Salvo|schreibt mit dem Aufziehvogel: Auf Salvo schreibt findet man nicht nur tolle Kurzgeschichten, nein, er beweist auf seinem Blog auch einen unwahrscheinlich guten Musikg...

Surrealisten unter sich: Haruki Murakami inspiriert David Mitchell und Michael Weins


Ich war jahrelang auf der Suche nach Geschichten die sich so lesen wie die von Haruki Murakami. Teilweise fand ich sie in der japanischen Literatur an sich wieder. Sehr begeistert haben mich aus diesem Bereich Taichi Yamada und Yoko Ogawa. Auch Hiromi Kawakamis Roman Am Meer ist es wärmer  (ein einfach wunderbarer Titel der sich komplett von dem japanischen Originaltitel unterscheidet) hat mir sehr gut gefallen. Ich liebe offene Enden und Fragen nach der Existenz. Es ist ein Thema das mich zu meinne eigenen Erzählungen sehr inspiriert hat.

Jedoch habe ich mich immer gefragt ob es wohl auch europäische Schriftsteller gibt die inspiriert von Haruki Murakami und der japanischen Literatur sind. Ich bin aber nicht so gut informiert das ich die Fähigkeit besitze solche Perlen aus dem Wasser zu fischen. Daher gilt all mein Dank der Klappentexterin. Ohne ihre Empfehlungen würde ich weder David Mitchell, noch Michael Weins kennen.

 Der Brite und der Deutsche gesellen sich also zu dem Japaner. Und als Ausgangspunkt steht ein Roman:


Eines der bekanntesten Werke von Haruki Murakami inspirierte beide Autoren zu ihren Romanen. Mister Aufziehvogel (nicht ich) prägte sowohl Mitchells Number 9 Dream wie aber auch Weins neuster Roman Lazboy. Während Number 9 Dream eine direkte Hommage an Murakami Werke wie Naokos Lächeln und Mister Aufziehvogel ist, so hält sich Autor Michael Weins zurück seine Inspirationsquelle zu Lazyboy zu nennen. Die Parallelen zu Mister Aufziehvogel sind unverkennbar. Obwohl ich von Weins Vorgänger Delfinarium bisher nur eine Leseprobe verköstigt habe steht aber für mich eines fest: Weins muss mindestens einen Murakami gelesen habe. Solche Zufälle (bezogen auf den Stil) kann es kaum geben. Ein Ich-Erzähler im mittleren Alter sucht verzweifelt seinen Platz in der Gesellschaft und reitet sich, ohne das er es bemerkt, in eine völlig seltsame Geschichte rein. Er trifft geheimnisvolle Frauen und begegnet dem Übernatürlichem. In Lazyboy freundet sich sein gleichnamiger Protagonist sogar mit einem dreizehnjährigem Mädchen an. Der Aufziehvogel lässt grüßen.

Beide Autoren befassen sich mit einem ähnlichen Thema. Die Suche nach der Existenz, der Weg aus der Bedeutungslosigkeit, Einsamkeit, Liebe und die bekannte hauchdünne Grenze zwischen Traum und Realität.

Das solch ein unkonventioneller Stil auch Erfolg haben kann beweist David Mitchell. Mit einer Bibliographie von gerade einmal fünf Romanen zählt der Japanliebhaber mittlerweile zu den erfolgreichsten britischen Autoren der Gegenwart. Sein Roman Der Wolkenatlas (2004) wird aktuell für das Kino adaptiert und soll im Oktober 2012 die Säle Lichtspielhäuser füllen (und mit einem Budget von rund 100 Millionen Dollar nicht gerade ein Schnäppchen).

Bis zum Start von 1Q84 im Oktober möchte ich noch mindestens eines dieser beiden Romane lesen. Die Wahl wird wohl auf den nicht ganz so üppigen Lazyboy fallen.

Wer auf einer ähnlichen Suche ist wie ich, der wird bei den beiden Europäern wohl an der richtigen Adresse sein.


Number9Dream (David Mitchell)
Publikation: 2001 (Sceptre, Großbritannien), 2011 (Rowohlt, Deutschland)

Inhalt (Rowohlt):
Ein junger Mann kommt nach Tokio, um seinen Vater zu suchen, und landet stattdessen in einer berauschend verwirrenden virtuellen Realität, in einem Irrgarten voll rätselhafter Zeichen, wovon eines ein Song von John Lennon mit dem Titel «Number 9 Dream» ist … «Eine wahnsinnige Mischung aus Thriller, Tragödie, Fantasy und Videospiel sowie ein beun­ruhi­­gendes Panorama des modernen Tokio.

Lazyboy (Michael Weins)
Publikation: 2011 (Mairisch, Deutschland)

Inhalt (Mairisch)
Heiner Boie, genannt Lazyboy, geht durch Türen. Doch im Gegensatz zu anderen Leuten bringen sie ihn manchmal nicht in den angrenzenden Raum, sondern ganz woanders hin: Mal an ihm wohlbekannte Orte, mal an Plätze, die er nie zuvor gesehen hat. Zwar kann er das Ganze nicht kontrollieren und fühlt sich eher als Anti-Superheld, findet aber Gefallen an seinen Fähigkeiten.

Bis er bei einem Türensprung die 13-jährige Daphne kennenlernt, die das alles gar nicht beeindruckt: Sie hat in ihrem Keller selbst so eine Tür, die nicht das macht, was sie soll. Lazyboy geht hindurch - aber diesmal kommt er an einen Ort, wo er noch nie war. Und dort geht die Geschichte erst los.

Michael Weins erzählt in Lazyboy mit melancholischem Witz von einem, der erst spät bei sich ankommt - und der dazu eines Wunders bedarf, an das er selbst nicht glauben kann.

Montag, 12. September 2011

Donnerstag, 8. September 2011

Takeshi Kitano Special: Violent Cop




Japan 1989
Originaltitel: Sono otoko, kyobo ni tsuki
Regie: Takeshi Kitano
Darsteller: Takeshi Kitano, Mariko Kawakami, Makoto Ashikawa, Shiro Sano, Sei Hiraizumi
Laufzeit: Circa 103 Minuten
Genre: Unterweltdrama
FSK: 18 (ungeschnitten)

Montag, 5. September 2011

Encore: Noch eine Zugabe für den Aufziehvogel


Eine Rubrik wird sich von Am Meer ist es wärmer verabschieden. Verabschieden werden sich die Kurzgeschichten. Die passen einfach nicht hier her. Längst überfällig, habe ich endlich einen Blog gegründet wo ich diese präsentieren kann. Ich glaube viele Leser werden vermutlich abgeschreckt werden wenn sie solch brutal lange Texte zu sehen bekommen sobald sie meinen Blog aufrufen. Wer also wirklich Interesse am lesen von Kurzgeschichten hat, der kann das fortan auf Typewriting tun.

Nun hoste ich drei Blogs wovon zwei wahrscheinlich von kaum jemanden gelesen werden, und dennoch fühle ich eine entspannte Zufriedenheit. Das hatte ich schon Jahre vor. Es ist so simpel wie einfach. Einen Blog für die eigenen Geschichten entwerfen. Und zumindest an diesen Geschichten mangelt es mir nicht. Was hat sich doch da in den letzten Jahren angesammelt. All das brauchbare möchte ich veröffentlichen. Also werden es circa fünf Geschichten auf meinen neuen Blog schaffen.

Wie dem auch sei. Keine Kurzgeschichten mehr auf Am Meer ist es wärmer. Lediglich die drei bereits veröffentlichten werden bleiben. Ich möchte mich weiterhin auf Rezensionen, News und Das Phänomen des Monats konzentrieren. Sayonara, meine Kurzgeschichten.

Euch auch weiterhin viel Spaß beim stöbern.

Blog: Typewriting- Erase your Head

Freitag, 2. September 2011

Verfilmung: Alles, was wir geben mussten



Großbritannien 2010
Vorlage: Kazuo Ishiguro
Originaltitel: Never let me go
Regie: Mark Romanek nach einem Drehbuch von Alex Garland
Darsteller: Carey Mulligan, Andrew Garfield, Keira Knightley
Laufzeit: Circa 105 Minuten
Genre: Moderne Science-Fiction, Arthouse, Drama
Verleih: 20th Century Fox (Cine Project)
Freigabe: FSK 12

Trailer:



Erst kürzlich habe ich Kazuo Ishiguros Roman ausgelesen und habe mich natürlich dementsprechend auf den Film gefreut. "Ich hatte irgendwie ein gutes Gefühl", kann ich nun sagen. Obwohl ich ein wenig enttäuscht von Tran Anh Hung's Verfilmung zu Norwegian Wood war und ich mir eine weitere Literaturverfilmung vorerst ersparen wollte, reizte mich das ganze Projekt zu Alles, was wir geben mussten schon sehr. Zumal ich hörte das Regisseur Mark Romanek der Verfilmung viele eigene Ideen hinzugefügt hätte.

Wie aus dem Nichts schaffte es die Adaption zu Kazuo Ishiguros Roman im letzten Jahr in einige Kinos. Dabei wurde das Arthouse-Drama weder großartig beworben noch wurde es in bekannten Lichtspielhäusern ins Programm aufgenommen. Mit einem Budget von über 15 Millionen Dollar spielte der Film am Box Office jedoch gerade einmal etwas über 9 Millionen ein (von einem Gewinn spricht das Studio wenn ein Film mindestens das doppelte an Produktionskosten am Box Office wieder eingespielt hat). Mit der Heimkino Auswertung kommt der Film nun auf knapp 11 Millionen Dollar und kann daher als kommerzieller Flopp angesehen werden. Und das trotz all der wohlwollenden Resonanz. Woran scheiterte es also? Die Skeptiker kann ich jedoch schon einmal beruhigen. Es liegt weder an Romaneks Interpretation, noch an Garlands Drehbuch und schon gar nicht an die wirklich hervorragenden Schauspieler. Es wird wohl letztendlich die mangelnde Werbung gewesen sein. Zumal ich viel mehr glaube, schaut man sich die Trailer an, dass der Film völlig falsch beworben wurde. Würde ich völlig unwissend sein und den Trailer begutachten, dann würde ich wohl denken das wir es hier mit einem Liebesdrama zu tun haben. Mit viel Kitsch und Tränen. Aber natürlich ist Alles, was wir geben mussten etwas ganz anderes. Obwohl die Verfilmung viel falsch macht bin ich dennoch sehr begeistert. Und wieso das so ist möchte ich im folgenden Text auch erläutern.

Genau wie auch der Roman ist der Film in drei Teile aufgebaut. Die Kindheit auf dem Internat Hailsham, die Zeit in der Wohngemeinschaft bei den Cottages und der letzte Teil, Vollendung. Doch bereits hier gibt es Unterschiede zum Roman. Nicht nur ist Kathy H. in der Verfilmung einige Jahre jünger, erstmals bekommen wir auch Daten zu sehen in welcher Zeitspanne die Geschichte spielt.
Schon bei der Eröffnungssequenz sieht man es der Interpretation von Romanek und Garland an das sie der Vorlage so gerecht wie nur möglich werden wollten. Die Geschichte wird kompakter gestaltet, Kenner des Romans werden sich aber dennoch schnell zurecht finden. Die Macher ergänzen ihre Version dabei immer wieder mit ein paar Details die nicht im Buch erwähnt wurden. Darunter auch die Armbänder und die Scanner die jeden Spender identifizieren. Auch gibt es einiges an neuem Hintergrundwissen welches die Geschichte bereichert (aber auch etwas von Ishigiuros Verschwiegenheit bezüglich jener Details stiehlt).

Die meisten Abstriche musste man in den ersten zwei Teilen hinnehmen. Auch wenn das Setting sorgfältig ausgewählt wurde, Romanek einfach tolle Szenen einfängt, so fehlen mir leider sämtliche Bezüge zu den Charakteren. Besonders leiden musste darunter eigentlich die Freundschaft der drei Freunde. Dazu fehlte mir auch ein wenig die Verbindung zum Titelsong und Namensgeber (der Originalausgabe) Never let me go. Dieser klingt in vollendeter Form absolut super (gesungen von Jane Monheit), wie auch der gesamte, traurige Soundtrack von Rachel Portman, wurde aber für den Film meiner Meinung nach vollkommen verheizt. Im Roman ist der Song ein Schlüsselelement. Praktisch unverzichtbar für die Geschichte. Im Film bekommt er diese Aufmerksamkeit nicht. Ehrlich gesagt ist er sogar nur zweimal zu hören und wird auch kaum weiter erwähnt. Nichteinmal im Abspann wird Never let me go gespielt. Die recht kurze Laufzeit von gerade mal 100 Minuten (Netto) tut dann ihr übliches. Kaum auszudenken was die Produzenten hier erreicht hätten, hätten sie sich für 30 Minuten mehr Laufzeit entschieden.

Auf der anderen Seite muss man aber auch Romanek als Regisseur loben. Er hat nicht nur eine absolut melancholische Atmosphäre geschaffen, man bemerkt an seiner Arbeit auch das er wirklich von Kazuo Ishiguros Vorlage fasziniert war. Seine Liebe zum Detail ist erstaunlich. Und abgerundet wird dies auch durch die jungen Schauspieler. Ob es nun die Jungschauspieler aus dem ersten Teil sind, oder die erfahrenen im späteren Verlauf der Geschichte, sie alle haben mich sehr überzeugt. Carey Mulligan spielt ihre Rolle als Kathy H. absolut überzeugend. Ich mag ihre Interpretation sogar mehr als die Originalversion aus dem Roman. Auch Andrew Garfield (von dem ich an sich einiges halte) hält sich sehr genau an die Vorlage und bringt den leicht schusseligen Tommy brillant rüber. Genau wie der Song im Film untergegangen ist, so musste auch die Rolle der Ruth irgendwie leiden. So wirkt Keira Knightley tatsächlich etwas fehl am Platz. Sie bemüht sich wirklich und sie hat mir auch wirklich gefallen, die Rolle an sich musste im Film jedoch auf so einiges verzichten (besonders was die Erklärungen die ihre Handlungen aus der Vergangenheit rechtfertigen). Umso trauriger und bizarrer war ihr Ende welches sie in der Verfilmung fand. Und da es sich so komplett vom Roman unterschied kann ich auch jetzt schon sagen das es kein versöhnliches Ende mit Ruth gab. Noch immer spuken mir die Bilder von ihrer letzten Spende im Kopf herum. Schon lange hat mich eine Szene nicht mehr so mental mitgenommen das ich noch Tage danach nicht mehr die Bilder aus meinem Kopf bekam.

Im Großen und Ganzen umfasst der Film tatsächlich alle wichtigen Elemente aus dem Roman. An dieser Stelle mussten ja besonders die Adaptionen zu den Harry Potter Romane leiden. Dort fehlten ja teilweise komplette Abschnitte oder sogar auch Charaktere die gar nicht in die Filme eingeführt wurden.
Mit diesen Problemen hat Alles, was wir geben mussten nicht zu kämpfen. Allerdings ist es der Mangel an wichtigen Details die in der Verfilmung fehlen. Und das muss selbstverständlich bestraft werden. Denn all das war zu vermeiden. Ich erwarte nun nicht das alles peinlich genau umgesetzt wird, im Gegenteil, ich mag die Freiheiten sogar die sich der Film nimmt. Aber zum Verständnis gehören einfach gewisse Details aus dem Roman die einfach Pflicht waren in die Verfilmung aufgenommen zu werden. So kann ich mir vorstellen das die Nichtkenner des Romans sich auch teilweise im Bezug auf die Handlung verloren vorkommen werden. Denn so wirklich schlüssig wird die Geschichte eigentlich nicht. Man hat zwar das beste aus den 100 Minuten gemacht, für einen solchen Roman reicht diese Spieldauer allerdings nicht.

Trotz all dieser barschen Kritik konnte ich mich aber dennoch mit dem Film versöhnlich stimmen. Es ist ein melancholisches Arthouse-Drama, wunderschön gefilmt. Es gibt überzeugende Darsteller und eine sehr befremdliche Geschichte die einen über den ganzen Film packt. Dazu kommt noch ein sehr verträumter Soundtrack der all die verschiedenen Abschnitte im Film nahezu perfekt untermalt. Und  genau darin punktet Alles, was wir geben mussten. Zusammengerechnet unterliegen die Contras damit den Pros. Aber jeder der Ishiguros Roman gelesen hat wird sich auch bei dieser Adaption über das verschenkte Potential beschweren. Und ich kann es niemandem verübeln wenn er dies dann auch wirklich tut.

Fazit:

Alles, was wir geben mussten macht zwar immer noch viel falsch, aber dafür auch umso mehr richtig als so manch andere Verfilmungen bekannter Bestseller. Eine tolle Regie, ein überzeugendes Drehbuch gepaart mit klasse Darstellern, Liebe zum Detail und ein herausragender Soundtrack machen die Verfilmung des dystopischen Romans von Kazuo Ishiguro zu einem sehenswerten Geheimtipp. Besonders die letzte Szene stimmte mich in eine solch melancholische Stimmung das ich auch nach dem Abspann noch völlig mitgerissen von den gezeigten Bildern war.  

Alles, was wir geben mussten ist ein trauriges Drama. Ein Happy End ist Lichtjahre entfernt. Oder liegt vielleicht genau dieser Punkt im Auge des jeweiligen Betrachters? Ist vielleicht die Vollendung die Erlösung und stellt somit das Happy End dar? Ist nur der Tod die einzig plausible Erlösung für Kathy und ihre Freunde? Wie auch immer. Darüber kann man nun philosophieren wenn man mag. Wer nun Lust auf den Film bekommen hat sollte aber vielleicht dennoch vorher den Roman lesen. Beide Werke ergänzen sich. Und man bekommt am Ende einen ziemlich genauen Einblick in diese Zukunft die hoffentlich auf immer nur Fiktion bleiben wird. Und obwohl ich so viele kleine Details im Film vermisst habe, das Team um Romanek hat eine wundervolle Arbeit abgeliefert.

Wertung
8 von 10 Punkte


Anhang:

Donnerstag, 1. September 2011

Kannibalismus unter Fischen: Fishbowl Wonderland: Kapitel 2.2

Kannibalismus unter Fischen: Fishbowl Wonderland: Kapitel 2.2: Fortsetzung: Kapitel 2 Fishbowl Wonderland Von was für eine Freundin Kitamura hier wohl sprach? Ich hatte absolut keine Ahnung das ich...

Eine Gruselgeschichte: Kirschblüten im Winter Teil 3 (Finale)


Teil 3: Dream On


3.

Ich befinde mich auf einem riesigen Feld. Wo bin ich? Es ist nicht der übliche Platz an dem ich mich sonst immer befand. Kein Kirschblütenbaum. Kein Schnee. Kein Hügel. Ich befinde mich auf einer riesigen Ebene. Und so weit ich schauen kann ist lediglich das Haus geblieben. Der Boden unter mir fühlt sich an wie.... Acker? Er ist völlig ruiniert. Ohne den Schnee wirkt nun alles noch finsterer. Der Himmel schaut irgendwie gelblich aus. Als ob sich die Wolken mit giftigen Chemikalien vollgesogen hätten. Ich fühle mich wieder so allein und hilflos. Eine bereits betrübliche Landschaft musste nun einer weichen die noch viel monotoner und einsamer ist. Ich realisiere erstmals das ich Träume. Oder habe ich die nächste Grenze überschritten? Bin ich in einer alternativen Realität gelandet? Ich darf mir darüber keine Gedanken machen. Nicht in diesem Moment. Ich muss mich erst einmal ordnen.

Tatsächlich ist nur die Hütte in Sichtweise. Diese sieht jedoch komplett anders aus als in allen anderen Träumen zuvor. Von weitem sieht es aus als seien die Wände blutrot bestrichen. Eine Farbe die aussieht wie frisches Blut. Ich wage es dennoch mich der Hütte zu nähern. Doch ich bewege mich als hätte ich Kiloschwere Gewichte an meinen Beinen befestigt. Ich bemerke jedoch keine Erschöpfung. Ein Indikator dafür das ich immer noch träume. Plötzlich sehe ich jedoch das sich in der Ferne etwas tut. Die Tür geht auf. Und obwohl ich dem Haus noch längst nicht nahe gekommen bin erblicken meine Augen eine junge Frau. Unheimlich steht sie da und hält die Tür der Hütte auf. Als ob sie mich längst erwarte. Nun beginnt sie zu winken. Sie winkt mich zu sich herüber. Es ist ein freundliches winken das aber kaum bedrohlicher wirken könnte. Es mag widersprüchlich klingen, ja, aber etwas unheilvolles schwingt in ihrer Armbewegung mit. Doch aus dieser Entfernung kann ich die Frau nicht erkennen. Ihr Gesicht, nein, ihre ganze Gestalt ist nicht zu identifizieren. Und dazu kommt es mir vor als würde ich mich immer langsamer fortbewegen. Ich erkenne das die Person vor die Tür wieder ihr Heim betritt und die Tür hinter sich schließt.

Langsamen Schrittes habe ich endlich die Hütte erreicht. Wurde es vielleicht wirklich mit Blut bestrichen? Ich möchte es ehrlich gesagt auch nicht so genau wissen. Die Tür jedoch hat sich verändert. Hat sich das Haus bis auf seinen Anstrich optisch kaum verändert, so musste jedoch etwas vertrauliches weichen. Die große Eisentür wurde anscheinend durch eine Holztür ähnlicher Größe ersetzt. Eine rostige Klinke ist mein letztes Hindernis. Ich schließe im vollen Bewusstsein meines Verstandes meine Augen, strecke meinen rechten Arm aus, forme mit meiner Hand eine Greifbewegung und drücke diese Klinke herunter.

Noch mit geschlossenen Augen bewegen sich meine Beine vorwärts, treten in die muffige Hütten ein und ohne das ich sehe was vor mir liegt rutsche ich auf einer klebrigen Masse aus. Ich lege mich furchtbar aufs Maul. Ich pralle mit meinem Kinn auf den Holzboden und spüre den Schmerz der gerade meinen Körper durchfährt. Schnell öffne ich die Augen um meine Umgebung zu begutachten. Es ist die Küche. Ein Geruch von vergammeltem Fleisch und Blut steigt mir in die Nase. Was zur Hölle.... Blut? Der ganze Boden ist voll damit. Und als ob jemand einen Eintopf kocht wurde die ganze Sauerei auf dem Boden noch mit Eingeweiden geschmückt. Ein Würgereiz überkommt mich und ich kann mich nicht mehr halten. Ich muss erbrechen. Der Gestank ist unerträglich. Was kann hier nur vorgefallen sein?
Fest steht nur das ich schnellstens aus diesem Raum raus muss. Nein! Ich muss diese Hütte verlassen. Dies ist längst kein Traum mehr. Ich bin in der Hölle gelandet. Und sie ist fürchterlicher und realer als Dante sie je beschreiben konnte.

Nel mezzo del cammin di nostra vita
mi ritrovai per una selva oscura
che la diritta via smarrita

Doch dort wo einst die Tür war, befindet sich nur noch eine Wand aus Beton. Ich muss mich ins nächste Zimmer begeben. Aber ich muss mich vorsichtig fortbewegen, ich könnte erneut auf dem Gekröse ausrutschen.

Ich flüchte zur nächsten, geschlossenen Tür, die ebenfalls aus Holz besteht. Es muss der Eingang zum Wohnzimmer sein. Hastig greife ich erneut zu einer Türklinke und trete in den Raum ein. Wie erwartet. Es ist das urige Wohnzimmer mit dem einsamen Radio auf dem kleinen, runden Tisch. Aber etwas ist anders. Hier ist es viel zu finster. Erneut überrascht mich ein modriger Geruch.

Und er riss... Eingeweide... und musste erbrechen...

Was...? Das Radio! Ich erschrecke mich fürchterlich. Wer tut mir nur so etwas an? Ich will hier raus!

Willkommen zurück auf eine letzte, verfickte Runde Night Drive mit Sally. An all die Schwanzlutscher da draußen die gerne eine Leiche in ihrem Waschbecken zerlegen; hier ein allerletzter Song für diese Nacht: Dream On, in der Interpretation von Kelly Sweet.
Bleibt immer schön Indie. Und habt eine Gute Nacht.

Ein Klatschen ertönt aus der hintersten Ecke. Es muss die Frau sein die mir zugewunken hat. Ich sehe das sich eine schmächtige Person aufrichtet und in der Dunkelheit langsam auf mich zukommt.

>>Du hast aber lange gebraucht. Hör mal, sie spielen unseren Song<<, flüstert mir ihre liebliche Stimme zu. Eine Stimme so warm und zart das ihr Gesang vermutlich Eis zum schmilzen bringen könnte. Vielleicht war es ihre Stimme wodurch der ganze Schnee draußen geschmolzen ist.

Mit einer geschickten Handbewegung greift sie nach etwas was sich über ihren Kopf befindet. "Klick". Und schon ist der Raum beleuchtet. Und nun sehe ich endlich wer vor mir steht. Nun erkenne ich sie. Und erneut könnte ich erbrechen.

<<Großer Gott. Irina. Wie ist das möglich?<<

Ich blicke in ihr makellos hübsches Gesicht. Ihre schulterlangen dunklen Haare sehen etwas zerzaust aus, doch die etwas wildere Frisur steht ihr gut. Sie ist elegant gekleidet. Eine hellblaue Bluse, ein weißes Top und ein enger Rock. Als ob sie zu einem wichtigen Termin erscheinen müsse. Ihre rosafarbenen Lippen werden von einem heiteren Lächeln umspielt. Es überkommt mich eine Sehnsucht die mir Tränen in die Augen jagt. Eine unerfüllte Sehnsucht sie endlich wieder in meine Arme zu schließen. Irina steht vor mir. Und genau ihre Anwesenheit ist der endgültige Beweis das auch dieses Szenario immer noch ein Traum ist. Denn tote können einem letztendlich doch nur in Träumen begegnen.

Irina bewegt sich sanften Schrittes dem Radio zu und stellt es leiser. Man könnte ihre Bewegungen auch mit einem Gleiten vergleichen.

<<Wie lange ist das nun her? Ich glaube wir haben uns seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Wie geht es dir? Hast du etwa Angst?>>

Nun steht sie direkt vor mir. Ich kann ihr in die Augen schauen. Diese bildhübschen, braunen Augen. Ich muss mich beherrschen. Ich schlucke. Muss meine nächsten Worte mit Bedacht wählen.

<<Das ist nicht möglich, Irina. Du bist nichts weiter als eine Illusion. Ich habe aufgehört mit Illusionen zu sprechen.>>

Bei diesen Worten kommen mir die Tränen. Irina ist vor einem Jahr verschwunden. Und langsam komme ich dahinter.... Erst als die Polizei ihre Leiche fand, ich Gewissheit hatte das sie nie zurückkehren wird, begannen diese fürchterlichen Träume.Habe ich etwa versucht diese Ereignisse zu verdrängen?
Wir wollten uns verloben. Ich habe sie nur einmal aus den Augen gelassen. Sie war eingeladen auf der Geburtstagsfeier einer Freundin. Doch sie kehrte einfach nicht Heim. All die Suche war vergeblich. Sie war vom Erdboden verschluckt worden. Eine andere Erklärung gab es nicht. Doch im Juni besuchte mich die Polizei.

Irina streicht mir über meine rechte Wange. Ihre wärme ist spürbar. Es ist als würde sie aus Fleisch und Blut bestehen.

<<Na los. Verlassen wir diese düstere Hütte. Da draußen ist ein herrlich schöner Garten. Spazieren wir etwas. Dann können wir uns etwas ausgiebiger unterhalten.>>

Mit einer Handbewegung weist sie zu einer weiteren Tür am Ende des Raums. War die auch in meinen letzten Exkursionen in dieser Hütte da? Moment, dort wo die Tür ist saß doch beim letzten mal noch der alte Mann mit dem seltsamen Gesicht in seinem Schaukelstuhl.

Sie berührt sanft meine Schulter. Als wollte sie mich aus einem Tagtraum aufwecken. Noch immer läuft Dream on leise im Hintergrund.
Sie greift meine Recht Hand und als ob sie einer alten Dame über die Straße hilft führt sie mich. So ähnlich muss sich Dante gefühlt haben als ihn Vergil durch die Höllenkreise geführt hat. Noch immer völlig verdutzt folge ich ihr.
An der Tür angekommen, schiebt Irina die morsche, aber stabile Holztür mit ihrer noch freien Hand auf. Je weiter die Tür aufgeht umso mehr grelle Sonnenstrahlen fallen in die düstere Hütte. Zum ersten mal wird diese finstere Welt mit Licht erfüllt.
Meine Augen sind geblendet von dem Licht und es fällt mir schwer meine Umgebung optisch wahrzunehmen. Mit jedem Schritt wird die Sicht jedoch klarer. Die ganze Anspannung, der ganze Horror fällt von meiner Seele. Das ist nicht Eden, das Purgatorium oder der Himmel. Es ist eine andere Dimension. Eine Dimension fernab eines Traumes. Es muss eine weitere Grenze sein die ich überschritten habe. Vor mir baut sich ein harmonischer Garten auf der sich weit erstreckt und wo am Ende ein Pavillon im chinesischen Stil auf einen wartet. Irina führt mich über einen Weg der bebaut mit Marmorfliesen ist. Und soweit das Auge reicht, als ob sie uns beschützen wollen, stehen Links und Rechts von uns blühende Kirschblüten Bäume. Mit jedem milden Windhauch werden rosafarbene Kirschblüten zu uns geweht. Es ist ein Anblick der mit Worten nicht zu beschreiben ist.

Meine Gedanken sammeln sich wieder während mich eine schweigende Irina über den Marmorweg führt. Es war Mitte Juni als eines Nachmittags zwei Leute der Kriminalpolizei vor meiner Tür standen. Sie überbrachten mir die Mitteilung das ein anonymer Hinweis auf den Verbleib von Irina eingegangen sei. Dieser Hinweis stelle sich als 100% Korrekt raus. Der Anruf konnte nicht zurückverfolgt werden. Jedoch gehe man davon aus das der Täter selbst diesen Hinweis aufgegeben hat. Die Beschreibung war so präzise genau das kein Außenstehender der nicht persönlich dabei war (was in gleichzeitig zu einem Mittäter machen würde) solch eine Angabe abgeben könnte. Die beiden Beamten erklärten mir den Sachverhalt ganz genau. Irina wurde ermordet. Nein... es war kein Mord. Sie wurde regelrecht geschlachtet. Beinah all ihre Körperteile wurden abgetrennt. Jedes einzelne Körperteil wurde sorgsam vergraben. Ihre Organe und Eingeweide wurden an einem anderen Ort aufbewahrt. Welch kranker Bastard ist zu so etwas fähig? So verständnisvoll es mir die Beamten auch erklärten, ich musste mich übergeben. Als ich mich übergab, erbrach ich wohl auch all meine Erinnerungen an diesen Tag von vor zwei Monaten. Meine Erinnerung was praktisch gelöscht. Nur jetzt, in den Tiefen meines Unterbewusstseins, erlange ich die Erinnerung wieder. Irina wurde ermordet. Das hier muss ihre Werk sein.

Ihre Hand drückt fest zu. Erneut reißt sie mich aus meinen Gedanken. Wir haben den gemütlichen Pavillon erreicht. Von dort aus hat man einen perfekten Ausblick auf den ganzen Garten. Die finstere Hütte ist nur noch von weit weg aus zu sehen.

Irina deutet mir mit einer Handbewegung das ich mich auf einen der bequemen Sessel setzen soll. Ich befolge ihre Anweisung und setze mich. Sie tut es mir gleich. Im Wind wehen ihre Haare. Verdecken teilweise ihr Gesicht. Doch ich entdecke erneut ein Lächeln auf ihren Lippen. Ja, ihre vollen Lippen sind ganz deutlich zu erkennen. Es ist völlig ruhig. Lediglich der Wind ist zu hören.

<<Sag, möchtest du Musik hören? Das vorhin war doch unser Lieblingssong. Erinnerst du dich noch?>>

Mit einem Kopfschütteln verneine ich. Ich möchte keine Musik hören. Ich möchte nichts hören was die absolute Reinheit dieser Szenerie ruinieren könnte. Der Wind spielt bereits seine eigene Melodie.

<<Ja, ich erinnere mich.... aber so oft haben wir den doch gar nicht gehört. Bitte, erzähl mir warum wir hier sind. Wo bin ich? Ist das ein Traum? Oder vielleicht doch eine alternative Realität? Oder bist du es die mich all diese Träume heimsuchte>>, sage ich zu ihr und klang dabei ein wenig hilflos. Doch sie begann zu kichern. Es war ein süßes kichern. Als ob sie damit nur meine Hilflosigkeit bestätigte.

<<Du scheinst mir ein bisschen unbeholfen, Schatz. Kannst du dich denn nicht einfach freuen mich wiederzusehen?>>

<<Schon... aber du bist nicht echt. Das ist unmöglich. Bin ich etwa auch... tot?>>

Erneut kichert sie. Erstmals erblicke ich genau ihren Hals. Er wird von einer riesigen Narbe umspielt. Diese Narbe zieht sich vom Hals bis rund um ihren Nacken. Welch ein Anblick. Als ob der Kopf wieder angenäht wurde.

<<Wenn du denkst das diese Welt hier ein Traum ist, nun, dann bestätigt das sehr wohl meine Anwesenheit. Wenn sich diese Welt nach deinem Befinden verändert, könnte sie, labil wie du momentan bist, schon gleich wieder zusammenfallen. Glaubst du denn, hinter diesem Pavillon befindet sich noch eine weitere Welt?>>

Ich muss über ihre Worte nachdenken. Doch ich komme einfach nicht auf des Rätsels Lösung. Ich möchte mit Irina einfach nur zusammen sein. Aber viel zu viele Fragen lassen mir keine Ruhe. Ich brauche zuerst antworten.

<<Erkläre mir, was hat es mit dieser Welt hier auf sich? Was hat der riesige Kirschblütenbaum zu bedeuten? Wen sollen die alte Frau und ihr Ehemann im Schaukelstuhl darstellen? Wieso quälen mich diese Alpträume so sehr?>>

Irina scheint jedoch aufgeklärt zu sein. Meine Fragen scheinen sie nicht zu wundern.

<<Schatz... deine Erinnerungen sind doch mehr in Mitleidenschaft gezogen worden als ich annahm. All diese Leute und Schauplätze dienen doch nur dazu dir deine Erinnerungen wiederzubringen. Aber ich dachte der Baum alleine würde schon eine große Hilfe sein.>>

Ich schaue sie verwirrt an. Ihre Stimme. Genau so mädchenhaft wie ich sie in Erinnerung hatte. Doch was sie da gerade sagte, all das ergibt für mich keinen Sinn.

<<Hm... wie soll ich es dir erklären. Unter diesem Kirschblütenbaum haben wir damals, kitschig wie wir waren, unsere Liebe besiegelt. Und es war der gleiche Kirschblütenbaum an dem du mich begraben hast. Viel mehr waren es meine Einzelteile. Sorgfältig hast du sie alle vergraben. Du hast mich ausgenommen bis nichts mehr von mir übrig blieb. Und das was übrig blieb konnte man kaum noch einen Menschen zuordnen. Na, macht es Klick, Schatz?>>

Ein warmes lächeln geht von ihr aus. Ihre Worte treffen mich jedoch wie Betonklötze. Das ist nicht wahr. Eine Verleumdung. Ein Hirngespinst welches mir mein Traum vorgaukelt.

<<Rede doch keinen Unsinn. Was sagst du da, Irina?>>, stammle ich diese gerade ausgesprochenen Worte ein wenig pathetisch dahin.

<<Nein. Es ist die Wahrheit. Ich habe dich nie belogen. Ich habe dich nie mit jemand anderen betrogen. Und ich war so ehrlich zu dir wie es eine Frau zu ihrem Freund nur sein konnte. Ich wollte mich nicht verloben mit dir, geschweige heiraten. Wir sind viel zu jung. Da, schau... in dieser Hütte dort ist es geschehen. Hast mich erschlagen und anschließend auseinandergenommen. Und danach hast du einen Ausflug gemacht. Zu diesem kleinen Hügel. Dort wo der Kirschblütenbaum steht. Hast Löcher gebuddelt und jeden Knochen deiner Freundin begraben. In deinem Wahn hast du der Polizei dann Monate später einen anonymen Hinweis gegeben. Zumindest scheint dich dein Verstand nun so weit gebracht zu haben das du dieses Schicksal akzeptierst, es zulässt.>>

Bulllshit! Diese Schlampe da vor mir ist nicht Irina. Es ist eine Hexe. Sie lügt. Wieso sollte ich Irina ermorden und auf bestialische Art zerstückeln und ihre Einzelteile vergraben?

<<Lüge! Ich habe dich geliebt Irina. Du weißt das ich so etwas wahnsinniges nicht tun würde. Was sollte der Grund sein? Weil du die Verlobung abgelehnt hast? Soll das der Grund sein? Kennst du mich nach 5 Jahren denn so schlecht? Nenne mir einen Grund. Einen plausiblen Grund der diese Tat rechtfertigt.>>

<<Es gibt keine Gründe<<, sagt sie ganz gelassen und schaut verträumt in die Ferne.
<<Wie kann dir eine Tote denn irgendwelche Gründe oder Motive für deine Tat nennen? Und du scheinst es ja auch nicht mehr zu wissen. Streitest es ab. Vielleicht hat dir einmal etwas nicht gepasst. Hast zu lange Enttäuschungen oder Wut in dich hineingefressen. Ja, ein einziges mal hat es dir nicht gepasst eine weitere Enttäuschung hinnehmen zu müssen. Danach hast du dann die Kontrolle verloren. Es muss nicht immer für alles eine Erklärung geben. Deine dämonischen Albträume sind lediglich auf dein Unterbewusstsein zurückzuführen. Und nein, es ist bestimmt nicht die Schuld die dich Heimsucht. Das du mich ermordet hast, hast du längst verdrängt. Diese finstere Welt hier... sie spiegelt lediglich deinen wahren Charakter wieder. Nun wirst du fortan immer und immer wieder diese Qualen erleiden müssen.>>

Unweigerlich muss ich wie wild anfangen zu lachen. Ich erschrecke mich. Es ist ein wahnsinniges Lachen. Ich lache wie jemand der seinen Verstand verloren hat. Allerdings ist es so das ich mich dabei beobachte wie diese Person, dieses fremde Ich, dort im Sessel sitzend, so geisteskrank lacht. Vor seiner Freundin die er über alles liebte. Und die sich nun in ihren Worten bestätigt fühlt. Kirschblüten im Winter. Die verfolgen mich doch schon länger. Was rede ich da... sie verfolgen mich bereits mein ganzes Leben.

Mein Ich auf dem Sessel entspannt sich wieder. Sieht nachdenklich aus.

<<Everytime I look in the mirror. All these Lines on my face getting clearer...>> summt es vor sich hin.
<<...The past is gone. It went by, like dust to dawn. Isn‘t that the way everybody‘s got their dues in life to pay>>, komplettiert sie das gesumme. <<Bereust du es wie alles gekommen ist? Auch wenn du vielleicht nicht "Du" in diesem Moment warst. Du kannst es nicht rückgängig machen. Dream on until your dreams come true..Schau, das alles ist nur ein Trugbild.>>

Mit ihrem rechten Arm zeigt sie zur Hütte. Ich finde wieder zu mir selbst und nehme nun eine grässliche Kälte wahr. Die Haut blättert ab von ihrem Arm. Sie bröckelt immer weiter. Der Himmel färbt sich blutrot. Die Kirschblütenbäume verwittern und der ganze Schauplatz verwandelt sich in einen grausigen Ort. Aus jeder Ecke ist ein qualvolles Stöhnen zu hören. Es gibt kein zurück mehr. Die Person die einst Irina war zerfällt nun immer mehr in ihre Einzelteile. Ich schaue mir das Spektakel an wie auch alles andere hier in seine Einzelteile zerfällt. Mein Blick fällt auf die Hütte. Fünf Wesen, bis an die Zähne mit Beilen und Tranchiermesser bewaffnet durchschreiten die morsche Holztür und kommen auf mich zu. Nun muss ich mich vermutlich vor diesem Höllengericht verantworten. Doch wovor muss ich mich verantworten? Ich bin mir doch gar keiner Schuld bewusst. Sollte es wirklich stimmen was Irina zu mir sagte? Habe ich sie ermordet? Aber wann hat sich das alles abgespielt? Und wie bin ich so einfach mit all diesen Gräueltaten davongekommen? Jedoch muss ich an mein wahnsinniges Lachen zurück denken. Vermutlich habe ich ja wirklich den Verstand verloren. Die Geschichte ergibt doch gar keinen Sinn. Jetzt fürchte ich mich schon vor mir selbst.

Die fünf Henker, oder Schlächter, was immer sie auch darstellen sollen, haben den nun völlig verwitterten Pavillon erreicht. Ich blicke in ihre furchteinflößenden, unmenschlichen Fratzen. Klammere mich an meinem Sessel. Wie ein kleiner Junge der beim Zahnarzt sitzt und Angst hat wenn der Bohrer sich den beschädigten Zähnen nähert. Ihre Geräusche jagen mir eine höllische Angst ein. Gleich wird es vorbei sein. Jeweils zwei von ihnen packen einen Arm von mir. So kräftig das es sich anfühlt als würden sie mir die die beiden Gliedmaßen herausreißen. Ein dritter stellt sich hinter mir, packt meine Haare und zieht meinen Kopf nach hinten. Dabei streichelt er mit seinen Krallen meine Kehle. Die anderen beiden schärfen ein letztes mal ihre Klingen. Ich atme panisch. Komme nicht mit mir ins Reine. Eine Geschichte ohne Auflösung. Traum oder nicht Traum? Wie konnte es nur so weit kommen. Ein letzter Blick in Richtung Hütte. Langsam beginnen die Henker an mir herum zu sägen und hacken. Ich spüre die Tortur. Es sind schmerzen die nicht von dieser Welt sind. Noch einmal öffnet jemand diese verdammte Tür. Es ist die alte Frau. Mit ihrer riesigen Brille, als wäre es ein Fernglas, blickt sie noch einmal in meine Richtung. Sie winkt mir zu. Sie lacht freundlich und winkt mir zu. Als würde eine Oma ihrem kleinen Enkel, der völlig verängstigt auf dem Behandlungsstuhl des Zahnarztes sitzt, die Hand halten. Alles wird gut, sagt sie immer wieder. Doch nichts wird gut. Ich werde zerfleischt. Tranchiert. Und die Hölle hat diesen wunderschönen Garten in einen Ort der Verzweiflung verwandelt. Ja, um die Kirschblütenbäume tut es mir echt leid. Es sind ehrlich gesagt die Bäume die mir am meisten leid tun.

Ich wünsche mir so sehr einfach aufzuwachen. Wir alle hatten doch schon einmal solche Alpträume. Ein so schlimmer Alptraum wo dem träumenden ein Mord vorgeworfen wird. Wo er sich in einer Lage ohne Auswegs befindet. Der träumende hält alles für die Realität. Doch je absurder es wird, desto klarer wird die Situation für ihn. Und irgendwann wacht man auf.
Aber ich wache nicht mehr auf. Nein. Ich nehme sogar jeden Schmerz wahr. Hilfe! Bitte, irgendwer. Erlöst mich aus dieser Qual. Doch von irgendwo weit her höre ich lediglich eine Stimme. Eine engelsgleiche Stimme die immer wieder Dream On sagt. Es ist viel mehr ein Gesang. Beinahe tröstlich. Irina? Es tut mir leid. Vielleicht wirst du mir irgendwann verzeihen können. Allerdings scheint Versöhnung für mich kein Thema mehr zu sein. Lebe Wohl, Reailität.


Epilog:

Willkommen zurück zum Nightdrive hier auf Indie 19.87. Die heutige Nacht ist unglaublich mild. Irgendwie weht der Wind ein Hauch Melancholie durch die vier Himmelsrichtungen. Ich fühle mich als wäre ich aus einem langen, traurigen Traum erwacht. Kann mich nicht entscheiden ob ich Trauer oder Sehnsucht empfinden soll.
Keine Bange. Ihr befindet euch nicht auf Philosophie 19.87. Hier geht es immer noch um Musik. Es wird mal wieder Zeit für einen Wunsch. Und dieser Song passt einfach perfekt zu meiner Stimmung. Irina wünscht sich Dream On in der Interpretation von Kelly Sweet. Es ist wahrlich ein schönes Cover. Aerosmith können sich wirklich glücklich schätzen. Irina wollte mit dem Song eine ganz spezielle Person grüßen. Aber bevor ich sie nach einem Namen fragen konnte hatte sie leider schon aufgelegt. Ich hoffe bei dir ist alles in Ordnung Irina? Deine Stimme war echt der Hammer.
Dann Schlaf mal gut, du geheimnisvolle Lady. Die Nacht ist nämlich wie immer nur einen Riff vom nächsten Morgen entfernt.


Ende