Archiv: Rezensionen zu Literatur und Film

Dienstag, 1. Februar 2011

Studio 4°C Special, 01.02: Mind Game (Diese Geschichte hat niemals geendet)



Japan 2004
Nach einer Manga-Vorlage von Robin Nishi
Regie: Masaaki Yuasa
Sprecher: Koji Imada, Sayaka Maeda, Takashi Fujii, Seiku Takuma
Laufzeit: 104 Minuten (mit Abspann)
Genre: Anime, Komödie, Abenteuer, Fantasy, Experimentell
Verleih: Rapid Eye Movies
Freigabe: FSK 16




Kommerziell gesehen war der 2004 entstandene Spielfilm aus dem Hause Studio 4°C ein Flop. Dies gilt zumindest für die eigene Heimat. Doch besonders im Westen konnte Mind Game bei Kritikern und Film-Fans begeistern. Mind Game lief auf diversen Filmfestivals und so machte sich das kuriose Abenteuer International einen Namen.

Hat man den Film einmal gesehen, ist es schwer seine Gefühle und Emotionen einzuordnen. Ich empfand sogar so etwas wie unbeschwertheit. Mind Game berührte mich auf eine besondere Art und weckte tatsächlich Glücksgefühle in mir. Natürlich ist das wohl bei jedem Zuschauer anders. Einige werden vielleicht sogar frustriert und verwirrt sein, geschweige, falls sie den Film überhaupt bis zum Ende schauen werden.

Die Geschichte ist leicht zu erzählen, könnte aber tiefgründiger gar nicht ausfallen. Mind Game beginnt ähnlich wie ein Film von David Lynch. Eine bedrückende Musik ertönt. Dazu folgt eine für den Zuschauer seltsame Aneinaderreihung mehrerer Szenen aus anscheinend verschiedenen Zeiten. Nach dem seltsamen Opening sehen wir eine Frau die vor zwei Männern flüchtet. All sie ihre Verfolger abgehängt hat, die U-Bahn erwischt, trifft sie ihren alten Schulkamerad Nishi. Hier nimmt eine seltsame Odyssee ihren Lauf. Die Geschichte von Mind Game spielt im Jahre 2002 während der Fußball Weltmeisterschafft in Japan und Südkorea. Nishi ist der Hauptdarsteller dieser Geschichte. Er ist ein angehender Mangaka und seit seiner Schulzeit in Myon verliebt (die Frau aus der U-Bahn). Nach langer Zeit sehen sich die beiden wieder. Myon macht Nishi klar das sie vermutlich bald heiraten wird. Daraufhin lädt sie ihn in das Restaurant ihrer Familie ein. Doch dort gerät alles außer Kontrolle. Zwei Yakuza, wovon einer eine offene Rechnung mit Myons Vater hat, richten ein Blutbad an bei dem Nishi sein Leben auf eine unglaublich peinliche Art verliert. Bei Gott angekommen macht dieser ihm klar, das es kein Zurück mehr für ihn gibt und er schon bald im Nichts verschwinden wird. Nishi, der sich nicht mit seinem Schicksal abfinden kann wählt einen anderen Weg. Er versucht der Macht Gottes zu entkommen und rennt im wahrsten Sinne des Wortes um seine Existens. Nishi gewinnt das Wettrennen gegen Gott und kehrt ins Leben zurück. Er nimmt seine zweite Chance wahr und ändert den Verlauf der Szene und erschießt den Yakuza. Zusammen mit Myo und ihrer Schwester beginnt für die drei eine Reise zur Selbstfindung. Und all das geschieht im Innenleben eines riesigen Wals.


Die Story ist nun regelrecht großb erklärt. Um sich ein eigenes Bild zu machen müsste man schon den kompletten Film sehen.

Auf den ersten Blick macht die Geschichte von Mind Game den Anschein als wäre es eine typische "Was wäre wenn....." Geschichte. Doch Regisseur Masaaki Yuasa spielt hier alle künstlerischen Möglichkeiten aus die ihm zur Verfügung stehen. So wird man am Ende bemerken das es sich hier nicht um eine "Was wäre wenn....." Geschichte handelt, sondern um eine von wahrscheinlich tausenden. Ohne zu Spoilern; Auch das Opening wird ein wenig verständlicher. Hat man gefallen an Mind Game gefunden, wird man onehin nicht drum herum kommen ihn sich mehrere Male anzuschauen. Beim ersten Mal sollte man sich jedoch einfach zurücklehnen und diese absurden Trip genießen. Auf Details kann man auch später noch achten.

Selbstfindung ist ein großes Thema in Mind Game. Dies wird bereits klar wenn Nishi vor Gott steht. Dieser wechselt alle paar Sekunden seine Gestalt. Nishi ist verwirrt über das was er da sieht. Gott erwidert; "Das liegt daran weil du ständig ein anderes Bild von mir hast". Diese Sequenz ist nicht nur unglaublich witzig, weil sich die Gestalt Gottes in alle möglichen albernen Fratzen verwandelt, wir bekommen auch einen interessanten Einblick in Nishis Unterbewusstsein. Er ist unsicher und vom Weg abgekommen. Die verschiedenen Gestalten Gottes stellen praktisch seine Ängste dar. Erst als Nishi einen entschluss fasst und Mut tankt, verwandelt sich Gott in einen prächtigen Leopard.

Dies ist nur eine von den unzähligen verrückten Ideen in Mind Game. Die Vorlage lieferte Mangaka Robin Nishi. Bei Studio 4°C war man davon so angetan das man diesen Manga als Film umsetzen wollte. Natürlich standen die Verantwortlichen da vor einer großen Aufgabe. Man engagierte einen bis dahin noch recht unbekannten Regisseur. Es war Masaaki Yuasa. Das Studio gewährte ihm völlige Freiheit. Selbst Mangaka Robin Nishi gab sein Einverständnis sein Werk nach Belieben zu ändern. Dies tat der junge Regisseur dann auch. Er zauberte einen Film dem man in jeder Szene seine Leidenschaft ansieht. Man spürt förmlich mit wie viel Freude alle Beteiligten an Mind Game gearbeitet haben. Belohnt wird der Zuschauer mit einem Ideenreichtum wie man ihn in den meisten der heutigen Anime vergeblich sucht. Der Film kann sowohl optisch als auch inhaltlich begeistern. Was ich besonders klasse finde ist das man trotz all der schrägen Einfälle nie den Ernst der Geschichte vergessen hat. Denn einen ernsten Hintergrund kann man der Geschichte einfach nicht absprechen. Mind Game ist eine Reise in das Unterbewusstsein von vier Personen (der vierte im Bunde wäre der alte Mann der seit 30 Jahren im Inneren des Wals lebt). Jeder von ihnen kämpft mit seiner eigenen Vergangenheit. Trotz der Laufzeit von etwas über 100 Minuten kommt keiner der Charaktere zu kurz. Dennoch bleiben genügend, gewollte, Möglichkeiten zum interpretieren.

Der Soundtrack ist einfach fantastisch. Er stammt von Fayray, Yoko Kanno und Seiichi Yamamoto (Boredoms) und ist unverzichtbar für den Film. Die Musik ist nämlich mindestens genau so eigensinnig wie der Film. Die Tracks reichen von abgedrehten Instrumental Stücken bis zu melodischen Gesangseinlagen (dazu gehört die wunderbare Titelmusik "Viva" und der im Abspann gespielte Song "Saisho de Saigo no koi"). Natürlich gibts auch noch ein ganz großes Lob an die Seiyuus (Synchronsprecher). Die Leistung, die sie mit ihren Stimmen abliefern kann man bereits als akrobatisch bezeichnen.

Fazit:

Zusammengefasst bemerke ich das ich lediglich einen kleinen Bruchteil des Films besprochen habe. Allerdings würde meine Besprechung wohl den Umfang eines Romans annehmen um Mind Game gerecht zu werden.

"Diese Geschichte hat niemals geendet", lautet der letzte Schriftzug.
Für alle die am Ende jedoch meinen, den Film verstanden zu haben, werden enttäuscht. Mind Game hat kein Ende. Wie ein Puzzleteil fügen sich Anfang und Endsequenz zusammen. Die im Film erzählte Geschichte ist nur eine von vielen möglichen Varianten sie zu erzählen. Es gibt zahlreiche Alternativen. Es ist genau dieses Ende welches den Film den letzten Schliff verleiht. Man wird es wohl erst nicht begreifen. Doch je öfter man Mind Game schaut, desto offensichtlicher wird es.

Für alle Anime-Fans die genug von vom aktuellen Einheitsbrei haben, wird Mind Game eine erfrischende Abwechselung sein. Auf seine Weise ist der Film einzigartig. Dafür Danke ich Studio 4°C die sich hier völlig vom Mainstream entfernen.
Doch auch für alle die es gerne experimentell mögen, muss man nicht unbedingt Anime-Fan sein um Mind Game etwas abzugewinnen. Natürlich wird das nicht Jedermanns Geschmack sein, aber wenn man noch nicht probiert hat, sollte man es vielleicht einmal wagen. Und ich muss sagen, es schmeckt verdammt gut.


Wertung

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